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OKTOBER 2017

Editorial

Über Erwartung und Haltung

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ieles im Leben definiert sich über die Erwartungshaltung. Geringe Erwartungen werden oft damit belohnt, große Überraschungen auszulösen. Eine hohe Erwartungshaltung hingegen beinhaltet auch gehöriges Scheiterpotenzial und führt gerne zur Enttäuschung. Deshalb sollte man am 15. Oktober auch einschätzen, zu welcher der beiden Kategorien die eigene Wahl zählt.

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Zuerst zu den Nationalratswahlen: Hier können sich eigentlich nur Wähler von HC Strache sicher sein, nicht enttäuscht zu werden. Denn glaubt man Rot-Schwarz, ist die große Koalition Geschichte, was bedeutet, dass der Wahlsieger wohl mit der FPÖ koalieren muss. Auf dieser Basis könnte man sagen: Wer HC Strache in der nächsten Regierung sehen will, braucht ihn einfach nur zu wählen. Deutlich komplizierter sieht die Sache bei der Anhängerschaft von Kurz oder Kern aus. Denn für beide gilt: Wer das Rennen für sich entscheidet, darf sich in Zukunft Bundeskanzler nennen, für den Verlierer ist vermutlich ein neuer Karriereabschnitt mit neuem Arbeitgeber vorgesehen. Hier ist das Enttäuschungs- wie Überraschungs-Potenzial für den Wähler also maximiert. Wer Kurz oder Kern wählt, ist danach entweder sehr happy oder hat eben eine Oppositionspartei anstatt einer Kanzlerpartei unterstützt.

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Für Anhänger der restlichen Parteien spielen sich die Chancen auf Enttäuschung oder Freude hingegen auf niedrigerem Niveau ab. Alle drei Kleinparteien werden rund um die 5-Prozent-Marke eingeschätzt. Die pulverisierten Grünen müssen dabei hoffen, dass ihnen Peter Pilz mit seiner eigenen Liste nicht die Show stiehlt. Dieser hingegen kann eigentlich nur gewinnen, weil jeder Prozentpunkt einen Erfolg darstellt. Bleiben die NEOS, die sich für diesmal auch mehr als die fünf Prozent vom letzten Mal vorgenommen haben. Für den Wähler aller drei Parteien bleibt das Risiko, eine Fraktion zu unterstützen, die im nächsten Parlament nicht vorkommt. Gewissheit hat man hingegen in dem Umstand, dass man eine Partei unterstützt, die in der nächsten Regierung keine Rolle spielen wird.

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Die Tiroler dürfen am 15. Oktober zusätzlich darüber entscheiden, ob sich ihr Heimatland für die Austragung der Olympischen Winterspiele 2026 bewerben soll oder nicht. Auch hier lassen sich die Erwartungshaltungen gut managen. Nachdem es nicht einmal unsere Politiker schaffen, sich klar zu Olympia zu bekennen, und es auch keine neutrale Instanz gibt, die für die Bewerbung kämpft, darf man ruhig davon ausgehen, dass die Olympia-Abstimmung so wie in den meisten westlichen Ländern ausgehen wird: negativ. Wenn Sie also dagegen stimmen, haben Sie gute Chancen, nicht enttäuscht zu werden. Gehören Sie aber zu denen, die in Olympia eine Chance und keine Bedrohung sehen, gehen Sie am besten davon aus, dass Ihre Stimme nichts ändern wird. Dann sind Sie in keinem Fall enttäuscht, in einem sehr unwahrscheinlichen Falle besteht aber die Chance auf positive Überraschung.

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In jedem Falle gilt: Bewahren wir Haltung, egal was wir erwarten, egal was uns erwartet.

 

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