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NOVEMBER 2018

Editorial

Über das Verhindern

I

rrtümlicherweise glauben viele Menschen, dass sich das Wort Innsbruck von den Wörtern Inn und Brücke ableitet. In Wahrheit basiert der Stadtname aber auf der mittelalterlichen Lautmalerei „verhinnspuck“, was damals so viel be­deutete wie „vor Verhinderung aus­spucken“. Man kann also sagen, dass das Verhindern dem Innsbrucker quasi in die Liege gelegt wurde. Frei erfunden, aber für mich die einzige Erklärung, warum der Inns­brucker alles verhindern muss und das Neue generell ablehnt.

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Besonders im aktuellen Jahrtausend hatten die Verhinderer viel zu tun. 2001 wurde die neue Bergisel-Schanze eingeweiht, designt von der damals mittelmäßig bekannten Zaha Hadid. Wer braucht eine neue Schanze? So viel Geld für eine Veranstaltung im Jahr? Erst mal eingeweiht, war dann doch jeder stolz ob des neuen Wahrzeichens. Die Chronologie des Verhinderns war geboren: Erst mal laut schimpfen, dann noch lauter schimpfen, und wenn der Dümmste erkannt hat, dass nicht alles Neue schlecht sein muss, zu denen gehören, die das Projekt schon immer unterstützt haben.

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Hätte man ein Jahr später abgestimmt, ob der Parkplatz, wo jetzt die Rathaus-Galerien stehen, bleiben soll oder an dieser Stelle ebendiese entstehen sollen, wäre diese Befragung wohl 90:10 Prozent für den Parkplatz ausgegangen. Zum Glück hat keiner gefragt. Als am 1. Dezember 2007 die neue Hungerburgbahn – de­signt von der inzwischen recht bekannten Zaha Hadid – eröffnet wurde, gab es sogar Morddrohungen für die damalige Stadt­regierung. Die Proteste und den Widerstand vergisst man gerne, vor allem, wenn man heute ausländische Gäste voll Stolz auf eine Fahrt mit der Bahn einlädt. Zwei Jahre später wollte Innsbruck die Fußgängerzone in der Maria-Theresien-Straße nicht haben, heute kann man sich kaum vorstellen, dass dort mal der Verkehr durchlief. Mit dem Tod der Bürgermeisterin Hilde Zach Anfang 2011 starb auch ein bisschen der Innovationsmotor für ein modernes, neues Innsbruck. Doch im Dezember 2017 – quasi wie ein Weihnachtsgeschenk für den geübten Verhinderer – kam dann die Patscherkofelbahn daher. Die kleine, aber teure Schwester der Hungerburgbahn, sozusagen, sorgt bis heute für Aufregung.

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Ganz aktuell bei den Hatern (so nennen sich die Verhinderer auch gerne inzwischen) ist das Haus der Musik. Das „hässlichste Gebäude Innsbrucks“ liest man in den Foren, einer schlägt gar den sofortigen Abriss vor. Und wieder wird es die Geschichte beweisen: Ja, es ist verdammt viel Geld für ein Haus. Aber nein, der marode Stadtsaal mit seinem Stadtcafé hätten nicht leisten können, was das Haus der Musik zu leisten im Stande ist: Es macht Innsbruck, wie all seine modernen Bauten – egal ob immer gut gelungen und manchmal viel zu teuer –, zu einer Kleinstadt mit Großstadtambitionen, zum Kaff mit Lebensqualität und Anspruch. Und deshalb empfehle ich den Unzufriedenen stets den Umzug in eine ähnlich große Stadt in Mitteleuropa, wo nichts passiert und es gar nichts zu verhindern gibt – die Auswahl derer ist noch dazu riesig.

 

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