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DEZEMBER 2016

Editorial

Über Bequemlichkeit und deren Nebenwirkungen

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er stationäre Handel hat viele Probleme. Er ist zu unflexibel, oftmals zu teuer, und als ob das nicht genug wäre, muss er sich auch noch mit den üblichen Mitarbeiterproblemen herumschlagen. Wie oft wollte ich schon ein Produkt im Tiroler Handel kaufen, nur um festzustellen, dass es gar nicht verfügbar ist oder deutlich mehr kostet als im Internet? Wie oft habe ich mich schon über die Dummheit mancher Verkäufer geärgert? Und wie oft habe ich mich dabei ertappt, den bequemen Weg der Onlinebestellung mit all seinen unbequemen Nebenwirkungen dem vorzuziehen?

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Sind Amazon und Zalando wirklich die Bösen? Die Antwort fällt recht simpel aus: Lebt man in einer Region, die ohnehin schon ausgestorben ist und ohne stationären Fachhandel auskommen muss, sind sie vermutlich sogar die Rettung (zum Beispiel im mittleren Westen der USA). Lebt man zum Beispiel in Innsbruck, ist jeder Kauf bei einem Onlineriesen ein Anschlag auf die Tiroler Selbstständigkeit, vielleicht sogar auf die Tiroler Identität. Wenn wir auf Dauer nur dort kaufen, wo wir nicht leben, ist die Zukunft keine schöne. Kaufkraft und Wertschöpfung passieren dann nämlich dort, wo wir nichts von ihr haben – und zwar in den Taschen großer Aktionäre und Firmenbosse. Dass diese Firmen außerdem dazu neigen, auch auf dem Wege der Steuerlast nicht allzu viel an die Gesellschaft zurückzugeben, macht die Entscheidung eigentlich noch leichter.

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Am klarsten wird der Blick aber, wenn man an die Arbeitnehmer denkt. Wer in Tirol einen Job hat, kann diesen zwar durch das Internet verlieren, aber wohl kaum dort einen neuen finden. Oder anders formuliert: Wenn wir nicht anfangen, vor der Haustür einzukaufen, werden Geschäfte in Massen schließen, die Arbeitslosenzahlen in die Höhe schnellen und wir uns gegenseitig nur noch die Haare schneiden. Addiert man zu diesem Horrorszenario noch die Tatsache, dass die Internetriesen sich oft grausamer Personal-Methoden bedienen, um die Rendite zu optimieren, wird die Entscheidung eigentlich noch offensichtlicher.

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Kurzum: Gerade in der Vorweihnachtszeit, in der viel und gern gekauft wird, sollte man sich darauf besinnen, dass das Einkaufen in Tirol vor allem einen strategischen Sinn hat und auch die eigene Lebensqualität nachhaltig absichert. Und wenn es auch manchmal teurer ist oder noch dauert, bis es wieder da ist, auch wenn die Verkäuferin alles lieber tut als verkaufen und auch wenn es viel feiner ist, dem Postboten die Tür aufzumachen, als sich einen Parkplatz in einer völlig überfüllten Innenstadt-Garage zu suchen – nur wer vor der eigenen Haustür einkauft, darf sich in der Zukunft weiterhin hohe Lebensqualität und Wohlstand erwarten. So könnte die Antwort auf die Frage „Warum kaufst du vor der Haustür ein und nicht im Internet?“ lauten: Weil ich ein Egoschwein bin.

 

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