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DEZEMBER 2018

Editorial

Über das Unmögliche

W

enn wir uns ehrlich sind, ist Innsbruck unregierbar geworden. Ein starker Flügel auf der linken Seite, angeführt von Bürgermeister Georg Willi, und eine ähnlich starke Fraktion am anderen Ende der ideologischen Klaviatur, angeführt von Rudi Federspiel. Dazwischen ein Haufen vom Wähler abgestrafter Mini-Parteien, die eines gemeinsam haben: Sie dürfen in der „Koalition der Verlierer“, wie Federspiel sie gerne nennt, mitregieren. Allen voran die frühere Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer, die jetzt als Vizebürgermeisterin nicht viel weniger zu sagen hat wie davor als Bürgermeisterin, wie sich Insider sicher sind. Vom Wähler abgestraft wurde nicht nur sie, sondern auch ihr Schatten Franz Gruber, der das ÖVP-Ergebnis in der Stadt eben mal halbierte, um dann wieder als zweiter Vizebürgermeister der neuen Regierung anzugehören. Auch der dritte Wahlverlierer SPÖ darf mit Elisabeth Mayr eine Stadträtin stellen. Die Ur-Grüne Uschi Schwarzl macht das Regierungsteam komplett und kümmert sich seither, wie es scheint, exklusiv um zusätzliche Parkraumbewirtschaftung.

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Jetzt könnte man sich als Georg Willi durchaus ein wenig Dankbarkeit erwarten, dass er sich des angeschlagenen Polithaufens angenommen hat. Frei nach dem Motto „Vier gegen Willi“ scheint der Bürgermeister seit Anbeginn mehr Probleme mit den Koalitionspartnern und der eigenen Partei zu haben als mit der Opposition. So bombardiert sich die Koalition nicht nur gegenseitig mit Anträgen, sie stimmt auch vogelwild in der Gegend umher – echte Einigkeit sieht wahrlich anders aus. Das Ergebnis dieser Konstellation ist klar zu erkennen, es wird wenig bis gar nichts weitergehen mit dieser Regierung. Egal, sagen Zyniker, Alt-Bürgermeisterin Oppitz-Plörer habe ohnehin kein Geld für neue Taten übriggelassen.

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Und so drohen mittelfristig italienische Ver-hältnisse in Innsbruck. Ohne starke Volks-partei oder SPÖ gibt es keine verlässlichen Koalitionspartner für die großen Parteien links und rechts außen. Und deshalb denkt zumindest Rudi Federspiel laut über das Unmögliche nach. Gefragt nach einer Lösung für das Dilemma, schlägt er eine Koalition zwischen Grün und Blau vor. Mit der Absurdität dieser Idee konfrontiert, verweist Federspiel auf das Burgenland. Hier regieren Rot und Blau seit geraumer Zeit sehr erfolgreich, ohne die eigenen Parteilinien verlassen zu müssen. „Es geht ja um Sachpolitik und einen guten Vertrag, die ideologischen Unterschiede müsse man dafür ja nicht verlassen“, erklärt Federspiel den Gedanken.

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Warum das im ersten Moment einmalige wie absurde Experiment in Innsbruck funktionieren könnte, hat aber einen anderen Hintergrund. Willi und Federspiel sind sich nämlich ideologisch näher, als die beiden je zugeben könnten. Denn sowohl der Bürgermeister gilt eigentlich als einge-färbter Konservativer als auch Rudi Federspiel, der in Wahrheit nur im Wahlkampf zum echten FPÖler wird.

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Das grün-blaue Wunder von Innsbruck wird in der Realität nur schwer passieren, denn bei der Basis und den Stammwählern der beiden Parteien würde das wohl heftige allergische Reaktionen hervorrufen. Wenn man sich in der Theorie damit beschäftigt, kommt man aber zu dem Schluss, dass das Unmögliche in diesem Fall die beste Variante für alle wäre. Der Graben zwischen Links und Rechts würde endlich wieder kleiner und die Mitte-Parteien hätten die richtige Ausgangsposition, um sich wieder in Richtung alter Größe zu kämpfen.

 

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