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DEZEMBER 2018

„Wichtig oder wurscht?“

Ein halbes Jahr nach Amtsantritt schaut 6020 bei Bürgermeister Georg Willi vorbei und will wissen: Wie läuft’s, Herr Bürgermeister?

Fotos: Axel Springer

„Ich erwarte mir beim Thema Wohnen langsam wirklich, dass die Wirtschaftsvertreter mich bei diesem Kurs unterstützen.“

6020:

Herr Bürgermeister, wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit in der Koalition? Georg Willi: Ich bin im Kern sehr zufrieden mit der Arbeit in der Koalition. Ich weiß natürlich, dass der eine oder andere Koalitionspartner auch mal ein Problem hat und sagt: „Seht bitte ein, dass ich hier eine Initiative setzen muss oder gegen diesen Antrag stimme.“ Ich sehe das in der Zwischenzeit entspannter als am Beginn. Und ich finde, dass wir immer besser verstehen, wie der andere tickt. Ich komme aus dem grünen Kulturraum, und der ist für jemanden aus dem schwarzen oder roten Kulturraum halt auch gewöhnungsbedürftig. Daher braucht es hier eine Anpassungszeit.

 

Wie sieht dieser grüne Kulturraum aus? Wo ist er, wie Sie sagen, gewöhnungsbedürftig? Ich glaube, es ist gewöhnungsbedürftig, dass ich kein Problem damit habe, meine Position zu ändern, weil bessere Argumente mich überzeugen. Andere haben oft das Gefühl, als wankelmütig oder schwach wahrgenommen zu werden, wenn sie ihren Standpunkt ändern. Wir haben in der Gruppe auch einen Spruch: Wichtig oder wurscht? Also: Lohnt es sich, dafür zu kämpfen, dass ein Entscheidungsprozess exakt so verläuft, wie ich es mir vorstelle? Oder gibt es Dinge, die man „laufen“ lassen kann, weil es relativ wurscht ist, ob man auf diesem oder einem etwas anderen Weg zu einer Lösung kommt.

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Ich finde auch, es fällt keinem ein Stein aus der Krone, wenn er sagt: ‚Entschuldigung, ich habe einen Fehler gemacht.‘ Wir brauchen eine neue Fehlerkultur.

 

War der Sondergemeinderat zu den Vorbehaltsflächen ein Fehler? Es ist nichts rausgekommen, außer eine bürgerliche Mehrheit – mit FI und ÖVP – gegen Sie und die SPÖ. Das war strategisch bewusst so gesetzt und zwar aus folgendem Grund: Wir brauchen, um ein Umdenken in den Köpfen herbeizuführen, eine längere Diskussion über die Frage, wie stark man politisch in den Grundstücksmarkt eingreifen darf. Meine Position ist: Für Leute, die viel Grund und Boden haben, ist es zumutbar, dass sie einen Teil ihrer Flächen zu einem günstigeren Preis hergeben. Es gibt kein Menschenrecht auf den maximalen Grundstückspreis. Wenn ein Grundstücksmarkt so verrückt spielt wie in Innsbruck, müssen wir eingreifen. Ich erwarte mir langsam wirklich, und da werde ich auch langsam bockig, dass mich die Wirtschaftsvertreter bei diesem Kurs unterstützen. Und ich spüre schon ein Umdenken – auch bei den Parteien, die jetzt bei jedem Projekt nach dem Anteil für die Allgemeinheit fragen. 

 

Grüne, SPÖ, Liste Fritz und ALI wollten das Instrument der Vorbehaltsflächen, sind damit aber im Gemeinderat abgeblitzt – FI, ÖVP, FPÖ und Neos waren dagegen.

 

Causa Mentlvilla: Hier haben Ihnen Teile Ihrer Regierung – FI und ÖVP – mit der FPÖ eine Petition überreicht. Hat Sie das irritiert? Es war jedenfalls ein unfreundlicher Akt. Es war strategisch auch nicht sehr klug. Ich ordne das ein in die Kategorie: Wir müssen alle erst lernen, wie wir gut miteinander umgehen. Zur Sache will ich den Menschen dort sagen: Wir haben die Problemlage erkannt, gebt uns jetzt in der kalten Jahreszeit, wo sich diese Menschen weniger im öffentlichen Raum aufhalten werden, die Zeit, dass wir etwas tun können. Aber mir ist klar, so geht es nicht weiter.

 

„Lohnt es sich, dafür zu kämpfen, dass ein Entscheidungsprozess exakt so verläuft, wie ich es mir vorstelle?“

 

Als Nächstes steht die Erstellung des Budgets an. Wo wird gespart, wo sagen Sie: „Da müssen wir Geld in die Hand nehmen“? Am meisten Geld müssen wir in die Hand nehmen, um das, was im Bildungs- und Sozialbereich notwendig ist, abzudecken. Wir haben uns im Koalitionsabkommen darauf verständigt, dass wir 15 Prozent einsparen – außer im Bildungs-, Sozial- und Kulturbereich. Das haben wir uns am Papier vorgenommen. In einigen Bereichen haben wir aber nun höheren Bedarf, zum Beispiel beim Personal, und das hauptsächlich durch Landesgesetze, die wir einhalten müssen. Das heißt, wir müssen in einigen Bereichen sogar überkompensieren. 

 

Das heisst konkret? In Summe führt das dazu, dass wir im außerordentlichen Haushalt im Plan sind. Da haben wir die Einsparziele erreicht – es wird im kommenden Jahr in Innsbruck weniger investiert.

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Im ordentlichen Haushalt haben wir unser Einsparziel derzeit nicht erreicht, haben uns aber auf folgende Vorgehensweise verständigt: dass, ausgenommen im Personalbereich, überall eine Ausgabendecke von 95 Prozent eingezogen wird. Zum Beispiel: Für einen Budgetposten sind 100.000 Euro vorgesehen, dann dürfen 95.000 in jedem Fall ausgegeben werden, die letzten 5.000 aber nur, wenn es angemeldet und begründet wird. Wenn jeder mit 95 Prozent auskommt, dann schaffen wir auch im ordentlichen Haushalt das Einsparziel. Einen anderen Weg haben wir nicht gefunden bzw. haben wir es bei vielen Positionen nicht geschafft, dass die einzelnen Ressorts punktuell heruntergehen mit dem Budget. Das würde mittlere oder größere Aufstände auslösen. 

 

Bei einer Klausur im Juni hatte sich die Koalition auf Einsparungen von 15 % bzw. 18 Mio. geeinigt.

„Es wird wertgeschätzt, dass ich in der Stadt sichtbar bin.“

Im Gemeinderat hat Bürgermeister Willi zwar den Vorsitz, auf eine demokratische Mehrheit kann aber auch er nicht immer setzen.