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MAI 2019

Editorial

Über die Arten der Modernisierung

W

enn man in einer Stadt lebt, lernt man automatisch auch mit den Baustellen zu leben. Der echte Innsbrucker weiß, Veränderung und Modernisierung sind nur möglich, wenn gebaut wird – und zwar ständig. Jetzt muss der Kenner aber zwischen zwei Formen der Modernisierung unterscheiden. Einmal die sichtbare wie Häuser der Musik, Hungerburgbahnen oder Kaufhäuser Tyrol, die allesamt die innerstädtischen Verkehrsflüsse nicht allzu sehr stören und langfristig eher zum stolzen Stadtgefühl beitragen. Und einmal die unsichtbare Modernisierung in Form von Kanal- und Leitungsarbeiten oder gar Straßensanierungen. Hier ist der Nutzen für die Bevölkerung oft fundamental und wichtig, aber auf den ersten Blick kaum erkennbar. Was jedoch erkennbar ist, sind enorme Verkehrsbehinderungen, Staus und mühsame Umfahrungen.

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Und während sich der gemeine Höttinger oder Hungerburgler gerade freut, dass die Riedgasse nach drei Jahren Bauzeit endlich wieder geöffnet hat, und dabei gerne erwähnt, dass man für die Errichtung des Arlbergtunnels nur ein Jahr länger benötigte, staut es sich in der Innenstadt schon wieder ganz gewaltig. Der Bahnhof bleibt bis in den Spätherbst gesperrt und verursacht damit den neuen, täglichen Verkehrskollaps. Warum man den Vorplatz nach 15 Jahren schon wieder sanieren muss, ist eine Frage, warum man gleichzeitig auch am Südring Baustellen eröffnen muss, ein andere. Und wäre das alles nicht genug, präsentiert man genau in dieser Zeit auch noch die Pläne für die Modernisierung der Altstadtleitungen, die ab 2021 drei Jahre in Anspruch nehmen wird.

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Wir haben also verstanden, dass eine moderne Stadt auch immer eine Baustelle ist. Wir haben auch verstanden, dass uns die Stadtregierung deutlich sagen will, nicht mit dem Auto im Stau zu stehen, sondern mit dem Bus oder dem Schienenersatzverkehr zufahren oder sich gar mit dem Rad durch den Stau zu schlängeln. Im Gegenzug habe ich aber eine Sache noch nie verstanden. Warum dauert das alles so lange? Man könnte problemlos in zwei Schichten bauen (6 –14 und 14 – 22 Uhr), ohne große Mehrkosten zu generieren, und wäre damit zumindest in der Theorie doppelt so schnell.

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Auch die eine oder andere Nacht- oder Wochenendschicht würde bei der Bevölkerung auf Verständnis treffen, wenn man im Gegenzug für eine Vorplatzsanierung am Bahnhof nicht ein halbes Jahr, sondern nur zehn Wochen brauchen würde. Das Gleiche gilt für die Riedgasse oder aktuell die Altstadt, wo sich wirklich niemand erklären kann, wie diese Vorhaben drei Jahre dauern können.

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Unser Bürgermeister erklärte in Vorwahlzeiten, dass die Innsbrucker mit den vielen Baustellen für die Regionalbahn auf die Probe gestellt wurden und sich für die nächsten Jahre ein bisschen Ruhe verdient hätten. Dass das nicht passiert, ist keine große Überraschung, aber endlich mal aufs Tempo zu drücken und nicht wie ein Beamtenapparat, sondern ein Unternehmen zu planen und zu bauen, wäre eine Form der Modernisierung, die sogar dieser Stadtregierung zuzutrauen ist.

 

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