Wir empfehlen
MÄRZ 2018

Editorial

Über den Dunst der Stunde

W

ie gerne wäre ich bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Kurz und Strache dabei gewesen. Unser junger Kanzler dürfte dem FPÖ-Veteranen so ziemlich jeden Blödsinn ausgeredet und wegverhandelt haben, den sich die Blauen irgendwie vorgenommen haben. Vielleicht sind die Freiheitlichen deswegen bei diesem einen Punkt so störrisch, so wenig kompromissbereit, so trotzig und kindisch. Das Kippen des eigentlich ab Mai in Kraft tretenden Rauchergesetzes scheint vor allem Symbolcharakter zu haben, denn es ist schwer vorstellbar, dass es irgendjemandem wirklich so am Herzen liegt, dass man wie bisher an vielen Orten weiterrauchen darf. Viel mehr macht es den Eindruck, dass man sich diesen einen Verhandlungserfolg von ein paar hunderttausend Unterschriften nicht kaputtmachen will.

// 

Doch wie ist die Schnapsidee vom Weiterrauchen eigentlich entstanden? Rauchen freiheitliche Wähler mehr als andere? Wohl kaum, aber freiheitliche Wähler wohnen gerne am Land und nicht in der Stadt. Und dort gibt es immer weniger Gasthäuser. Wenn man in diesen wenigen jetzt auch noch aufs Rauchen verzichten muss, sehen viele die Existenz dieser Gattung überhaupt gefährdet. Zudem entspricht ein Rauchverbot nicht dem wirtschaftlichen Credo der FPÖ, hier geht es um Freiheiten für den Unternehmer. Zur Erinnerung: In diesem Falle ist jede Meinung aber egal, denn es geht um den Mitarbeiter, der künftighin seinen Arbeitstag nicht mehr im Nebel des Grauens verbringen soll, und um sonst eigentlich gar nix.

// 

Langsam, aber sicher dürften auch die FPÖ-Wähler selbst Verwunderung über die Beharrlichkeit ihrer Partei zu diesem Thema entwickeln. Immerhin gibt es im blauen Lager – zumindest statistisch – ebenfalls deutlich mehr Nichtraucher als Raucher. Hat man Strache und Co. eigentlich dafür gewählt, damit soziale Gerechtigkeit ein- und der eine oder andere Asylwerber heimkehrt, gibt es seit der Wahl nur noch zwei FPÖ-Themen: blauer Dunst und braune Liederbücher. Eine besonders geniale Strategie des großen Partners, der Kurz-ÖVP, scheint hier aufzugehen. Schlechte und strittige Themen darf der Koalitionspartner austragen, große Siege und Meilensteine sind für Kurz selbst reserviert. Und während dieser durch Europa tingelt und einen auf Ich-bin-die-neue-Angela bringt, fahren seine Landeschefs einen Sieg nach dem anderen ein. Vor gut einem Monat schaffte die mit dem Charisma eines Komapatienten ausgestattete Mikl-Leitner in Niederösterreich die Absolute, jetzt in Tirol Günther Platter mit über 44 Prozent fast dasselbe. Es läuft also für die Kurz-ÖVP, und nicht nur deshalb hat die FPÖ ein Problem. Wenn sie nicht bald ihr altes Profil wiederfindet, wird sie ähnlich scheitern wie bei ihrer letzten Regierungsbeteiligung, und bleiben wird nichts außer Schall und Rauch.

 

[email protected]