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NOVEMBER 2020

Editorial

Über das Versagen der Regierungen

I

m Nachhinein muss man sich wohl eingestehen, dass wir uns im Sommer in einer alternativen Realität befunden haben: eine Menschheit, die vorsichtig aufatmet und glaubt, das Schlimmste überstanden zu haben. Und Regierungen, die sich dafür feiern lassen, wie gut sie die Krise gemeistert haben, und sich vornehmlich damit beschäftigen, aus dieser vermeintlich enormen Leistung ausreichend politisches Kapital zu schlagen.

 

Ein paar Wochen und 180 Grad später steht die Welt erneut Kopf, und die Ahnungslosigkeit der Regierenden ist sichtbarer als jemals zuvor. Oder noch deutlicher gesagt: Man hat das Gefühl, dass die Menschen an der Macht derzeit schlichtweg gar keine Idee haben, wie sie dem Chaos Herr werden könnten. Und sie scheinen im letzten halben Jahr auch nicht besonders viel dafür getan zu haben, dass es erst gar nicht zur jetzigen Situation kommt. Zumindest von unserem Finanzminister weiß ich, dass er in den letzten Monaten anderweitig beschäftigt war und eine wichtige Regionalwahl zu schlagen hatte. Wer könnte es ihm verübeln? Während einer weltweiten Wirtschaftskrise wird’s im Finanzministerium schon nicht so viel zu tun geben. Aber was ist mit den anderen Menschen passiert, die uns regieren? Anstatt eine sinnlose Maßnahme nach der anderen zu verkünden und gleichzeitig zu drohen, dass noch mehr Maßnahmen kommen, wenn die Zahlen nicht runtergehen, hätten Kanzler und Gesundheitsminister die momentane Situation durchaus voraussehen können: Herrscht doch seit Beginn an Einigkeit darüber, um welche Form der Bedrohung es sich handelt: Das Coronavirus ist keine Gefahr für die menschliche Rasse, sondern für unser Gesundheitssystem. Allem Handeln liegt also vor allem die Angst zugrunde, dass man die medizinische Versorgung der Bevölkerung nicht mehr im üblichen Umfang aufrechterhalten kann. Was wäre da der logische Schluss? Die Spitalskapazitäten erhöhen, mehr Intensiv­betten installieren, anstatt Millionen für sinnloses Testen und Contact-Tracing zu verbrennen. Denn so viel ist uns inzwischen allen klar: Bis zum nächsten Lockdown sind die Maßnahmen allesamt Augenauswischerei, verursachen höchstens (Quarantäne-)Chaos, und die Zahlen werden dadurch auch nicht merklich runtergehen. 

 

Fragt man einen normalen Menschen, was er, wenn er ein halbes Jahr Zeit hätte, tun würde, wenn er Sorge hätte, dass die medizinischen Kapazitäten nicht ausreichen, würde er wohl sagen: mehr Kapazitäten schaffen.

 

Fragt man einen Politiker, kennt man seine Antwort seit heuer: die Bevölkerung im Wochentakt mit halbseichten Einschränkungen bombardieren, undurchsichtige Verordnungen erlassen, bis sich niemand mehr auskennt, und nebenbei die Wirtschaft nachhaltig zerstören. Inzwischen muss man leider wirklich sagen: Ein Verschwörungstheoretiker ist ein Verrückter – oder aber vielleicht nur jemand, der schlichtweg nicht glauben kann, dass es so viel Regierungsversagen weltweit und zeitgleich geben kann.

 

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