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SEPTEMBER 2016

Editorial

Über Pest und Cholera

S

elten ist mir eine Entscheidung bei einer Wahl so schwer gefallen. Ich kann mich einfach nicht festlegen, wer von den beiden Herren mich weniger anwidert. Denn beide sind auf ihre Weise so extrem, dass sie eigentlich nicht wählbar sind.

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Im linken Eck haben wir den ewig gestrigen Intellektuellen, der wie die meisten seiner Artgenossen an Überheblichkeit kaum zu überbieten ist. Die Sicherheit, über Bildung und Karriere zu verfügen, paart sich hier mit Weltfremdheit und politischen Rezepten, die sogar in einer perfekten Welt nicht verschreibungspflichtig wären. Dass sich der Mann, der für das höchste Amt im Staat antritt, nicht einmal die Knabberleiste anständig zu reinigen weiß, ist die eine Sache, dass er am Tag nach der ersten Wahl sofort verkündete, dass er einen Kanzler Strache nicht mit der Regierungsbildung beauftragen würde, auch wenn dieser die Stimmenmehrheit erreichen würde, zeigt das wahre Gesicht des knuddeligen Professors. Es ist die hässliche Fratze eines politisch Extremen, getrieben von Machtgier und ganz niedrigen Instinkten wie Schadenfreude und Arroganz.

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Der Mann im rechten Eck kann sein wahres Ich deutlich besser verstecken, was dieses aber kein bisschen besser macht. Anstatt Geschichte zu lernen, hat er stattdessen etliche Stunden mit NLP-Seminaren und Rhetorikkursen verbracht, die ihm jetzt helfen, mehr als Staatsmann denn als burgendländischer Dorfpolitiker zu wirken, der er eigentlich ist. Innerhalb eines Jahres vom politischen Niemand zum vielleicht nächsten Bundespräsidenten der Republik – das geht nur in Österreich und selbst hier nur dank der mild-naiven Flüchtlingspolitik im Jahr 2015. Neben Verteidigungsminister Doskozil, Neokanzler Kern und ÖVP-Rookie Kurz ist er der große Gewinner der Flüchtlingskrise. Doch kann man mangelnde Erfahrung und Kragenweite auch verzeihen, bleibt die stets provokative und gleichzeitig leugnende Affinität zum Nationalsozialismus und die damit verbundene Deutschtümelei. Geht man davon aus, dass jeder Rechtsextreme ohnehin rechts wählt, muss man sich nämlich fragen, warum dieser Flügel immer noch bedient wird – aus politischem Kalkül wohl kaum.

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Am schlimmsten an der ganzen Sache bleibt aber die Spaltung in der Bevölkerung. Die einen sind sich jetzt noch viel sicherer, dass es nur der eine sein kann. Immerhin geht es um das Ansehen Österreichs und nur ein Primat kann jemand anderen wählen. Und das ist auch genau der Grund, warum die andere Seite so wählt, wie sie wählen wird. Sie hat die Schnauze voll von Überheblichkeit und Arroganz und macht daraus, was sie selbst „ein Zeichen setzen“ nennt und mit „so kann es ja nicht weitergehen“ erklärt. Fakt ist aber, dass nicht nur beide Kandidaten die Falschen für den Job sind, sondern dass das Problem darin besteht, dass die Bevölkerung zwischen den beiden aufgeteilt wird. Die Polarisierung der Gesellschaft ist das Problem und dafür hat keiner der beiden eine Lösung – die einzige Gemeinsamkeit übrigens.

 

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