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JUNI 2018

Editorial

Nach der Wahl ist vor der Wahl

M

an muss es im Nachhinein einfach sagen: Innsbruck wollte nicht unbedingt einen neuen Bürgermeister, es wollte vor allem die alte Bürgermeisterin nicht mehr. Christine Oppitz-Plörer, oder zu Wahlzeiten nur Christine, ist furchtbar unbeliebt, denn Georg Willi hat sich wirklich redlich bemüht, nicht ihr Erbe antreten zu müssen (kein Wunder, wer will den Schuldenberg schon?). Er hat von neuen Baustellen für Bahn und Wohnungen gesprochen und von Jobs, die er den marokkanischen Drogendealern vermitteln möchte. Alles Fehler, die ein abgebrühter Politprofi wie Oppitz-Plörer nie machen würde. Er hat erklärt, er würde gerne Bürgermeister werden, hätte aber auch kein Problem damit, wenn er es nicht schaffe. Und das Schlimmste dabei – er meinte es auch noch so.

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Und da haben wir schon des Pudels Kern. Willi ist glaubwürdig, seine partielle Naivität wirkt sympathisch und er scheint ein ehrlicher Kerl zu sein. Es war wie so oft ein Sieg der Sympathie oder besser eine Niederlage, die der Unbeliebtheit von Oppitz-Plörer geschuldet war. Man könnte vom Hillary-Clinton-Syndrom sprechen. Eine gute Politikerin? Mit Sicherheit. Eingeladen auf der nächsten Geburtstagsparty? Nur über meine Leiche. So schlimm war es bei Oppitz-Plörer natürlich nicht – in beide Richtungen wohlgemerkt. Aber es bleibt nun mal dabei: Wenn Oppitz-Plörer etwas ganz sicher nicht war, dann die Christine.

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Und jetzt haben wir sie – die Koalition der Verlierer, wie Rudi Federspiel sie nennt. Er darf zwar viele Wähler hinter sich vereinen, muss sich aber auf die Kontrollfunktion beschränken. Kontrollieren sollte man vor allem, warum jetzt die gleiche Regierung von vor der Wahl so tut, als hätte sie mit den Projekten von vor der Wahl nichts zu tun. Einzig Georg Willi selbst darf behaupten, dass er nicht dabei war, als man die Stadt in hohe Schulden trieb. Wenn man Bahnen baute mit Geld, das man nicht hatte. Wenn man 17 Millionen für eine neue Stadtbibliothek ausgab, die es für ein Zehntel auch gegeben hätte. Wenn man idiotische Kurzparkzonen- und Müll­abholregelungen einführte, die alle nerven. An der Kostenüberschreitung beim Patscherkofel, die zufällig kurz nach der Wahl daherkommt, kann sich Willi erstmals beweisen. Rodelbahn und Badesee aus Kostengründen streichen zu wollen, ist nämlich mehr als krank – behaupten einige immerhin, dies seien die einzigen sinnvollen Vorhaben im Rahmen des Patscherkofelbahn-Neubaus gewesen. Irgendwer wird hier die Verantwortung übernehmen und vielleicht auch einfach mal seinen Sessel räumen müssen. Aber wenn einer sogar weiß, wie man Drogendealer ins normale Leben zurückholt, wird er doch sicherlich auch für dieses Problem eine innovative Lösung finden.

 

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