
„Der Hof hat quasi mich gesucht“



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enn Biobauer Thomas Huber in Gummistiefel und Arbeitshose seine Schafe füttert, dann erinnert nichts mehr daran, dass seine „Schäfchen“ früher hochverschuldete Klienten waren. Der gebürtige Dornbirner hat nach seinem Jus-Studium in Innsbruck zehn Jahre bei der Schuldnerberatung gearbeitet und irgendwann aus Neugierde bei einem Biobauern in Aldrans am Hof geholfen. „Das hat mir super gefallen und die Idee, selbst Biobauer zu werden, hat mich nicht mehr losgelassen.“
Saatgut statt Paragraphen.
Zunächst besuchte Thomas berufsbegleitend einen Kurs zum landwirtschaftlichen Facharbeiter.
„Vor zwölf Jahren ergab sich dann die Möglichkeit, einen 500 Jahre alten Hof samt Feldern in Absam zu pachten. Ich habe den Hof nicht gesucht, er hat quasi mich gesucht“, sagt der 55-Jährige. Die Reaktionen seines Umfelds waren durchwegs positiv und bestärkend. „Beruhigend war auch, dass ich mir zunächst ein Karenzjahr genommen habe und wieder in meinen alten Job als Jurist zurückgehen hätte können.“
//Der Umstieg fiel Thomas leicht, von anderen Bauern und einer Maschinengemeinschaft im Dorf wird er bis heute gut unterstützt. „Bei den Maschinen habe ich zu Beginn schon einiges an Erklärung gebraucht. Der Großteil der Arbeit auf meinem Hof wird aber sowieso händisch erledigt.“ Das Karenzjahr ging vorbei, und Thomas und seine Ehefrau blieben am Hof. „Meine Arbeit ist abwechslungsreich und sinnstiftend, außerdem liebe ich das Draußensein im Freien. Das Leben im Jahreskreislauf entspricht der menschlichen Natur, das spüre ich ganz deutlich.“ Thomas hält Hennen und Schafe und baut auf seinen 20.000 Quadratmeter großen Feldern 40 verschiedene Sorten Gemüse an, von Artischocken bis Zwiebeln.
Bei der Ernte hilft ihm eine geringfügig beschäftigte Mitarbeiterin, aber auch Familie und Freunde sind immer gern zur Stelle. „Die sind richtig scharf aufs Helfen und fragen schon im Winter, wann es endlich losgeht.“
//Allen, die mit dem Gedanken spielen, einen beruflichen Umstieg zu wagen, rät Thomas, zunächst klein anzufangen: „Nicht zu viel riskieren, keine zu hohen Erwartungen haben und optimistisch bleiben, das sind meine Tipps für den Neustart.“ Ein Nachteil seines Biobauern-Daseins ist, dass nicht immer jeden Monat gleich viel Geld am Konto ist. Vor allem im Frühling gibt es hohe Ausgaben. Um ein bisschen besser finanziell planen zu können, ist Thomas recht umtriebig: Er betreibt einen Hofverkauf, liefert „Abokistln“, versorgt Einkaufsgemeinschaften, Restaurants und Bioläden. Vor wenigen Wochen hat er gemeinsam mit einer befreundeten Obstbäuerin einen Verein mit dem Konzept der Solidarischen Landwirtschaft gegründet. Das bedeutet, dass es ein Erntejahr lang eine gesicherte Abnahme seiner landwirtschaftlichen Produkte durch die Mitglieder gibt. „Man wird nicht reich, aber spannend ist es als Biobauer immer, und ich bin über jedes Jahr glücklich, in dem es sich finanziell ausgeht.“
„Familie und Freunde sind richtig scharf aufs Helfen.“
Thomas Huber


Der Duft von Leder



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lles begann mit einem gekauften Lederarmband. Weil Thomas Lechle mit der Qualität des Bandes nicht zufrieden war, begann er vor fünf Jahren damit, bei Helmut Schmarda, einem guten Freund der Familie, in dessen 107 Jahre alten Lederwerkstätte in der Maria-Theresien-Straße selbst eines herzustellen. Es waren schicksalhafte Freitag- und Samstagnachmittage: "Wie ich da so zwischen den Jahrzehnte alten Nähmaschinen gesessen bin, den herrlichen Ledergeruch eingeatmet habe und immer mehr ein fertiges Produkt in Händen hielt, habe ich gemerkt, dass mich diese Arbeit glücklich macht und dass ich das auch in Zukunft machen möchte“, erzählt der 44-Jährige.
Thomas war zu diesem Zeitpunkt noch Produktentwickler bei Swarovski, sein Berufsleben davor war ein abwechslungsreiches: abgebrochene Vermessungstechniker-Lehre, Snowboardprofi, Produktdesigner, Grafik- und Designagentur-Inhaber, ein Masterstudium Innovation- und Produktmanagement am MCI, dann Marketingmanager.
Lehre mit 40.
Thomas’ Gedanken begannen sich immer mehr um einen Berufswechsel zu kreisen. „Ich habe mir überlegt, dass ich noch mindestens 30 Jahre arbeiten muss, da will ich etwas machen, das mir richtig Spaß macht.“ Und so hat sich Thomas mit Anfang 40 für einen großen Umbruch in seinem Leben entschieden und eine Lehre als Taschner begonnen.

Bei „Leder Schmarda“ war er der erste Lehrling seit 20 Jahren. „Mein Lehrherr war zunächst skeptisch, weil er gesehen hat, wie es über die Jahre immer schwieriger wurde, mit diesem Beruf Geld zu verdienen. Aber ich versuche, mit neuen Ideen meinen eigenen Weg zu finden.“
//Die Lehrzeit machte ihm große Freude, er habe das Wissen des alten Handwerkberufs aufgesogen wie ein Schwamm. Dass Thomas in der Berufsschule in Lilienfeld schon mal versehentlich für einen Lehrer statt einen Schüler gehalten wurde, hat ihn lediglich zum Schmunzeln gebracht. Mit 44 Jahren ist er jetzt Taschner-Geselle und richtet sich gerade im Innsbrucker Stadtteil Mühlau eine Werkstätte ein. Spezialisieren will er sich auf hochwertige Ledererzeugnisse wie Taschen, Gürtel und Armbänder. Auch eigene Kollektionen sind angedacht. Thomas: „Am Ende meines Arbeitstages sehe ich, was ich gemacht habe. Die Wertschätzung, die die Kunden meinen Erzeugnissen entgegenbringen, bedeutet mir alles. Das gibt meinem Tun einen Sinn.“
„Am Ende meines Arbeitstages sehe ich, was ich gemacht habe.“
Thomas Lechle


Das Unternehmer-Gen



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achdem ich gesehen hatte, wie viel meine Eltern arbeiten mussten, wollte ich selbst nie einen eigenen Laden führen. Aber wahrscheinlich habe ich das Unternehmer-Gen doch in mir“, lacht Marianne Kohlmaier-Ecker, während sie neue Porzellantassen einräumt. Die 37-Jährige hat zunächst Wirtschaft in Innsbruck studiert und war danach Produktmanagerin bei Swarovski. Vor acht Jahren fiel der Entschluss, dass sie ihrem Leben eine neue Wende geben möchte. „In meinem alten Job ist mir vieles zu langsam gegangen, ich wollte endlich eigene Ideen umsetzen, ohne zuvor fünf Leute fragen zu müssen.“
Sprung ins Ungewisse.
Marianne hängte damals ihren Job an den Nagel, ohne genau zu wissen, was danach kommen würde. „Ich wollte gern in Innsbruck bleiben, aber die Jobs im Bereich Design, die ich mir vorgestellt hatte, gibt es hier nicht, also musste ich mich nach einer Alternative umsehen.“ So entstand innerhalb eines halben Jahres die Idee eines eigenen Geschäfts. „Ich habe einen Businessplan erstellt und mir finanziell vieles überlegt. Zu meiner großen Freude und auch ein wenig zu meiner Überraschung ist eigentlich alles ziemlich genau so gekommen, wie ich es mir zu Beginn überlegt hatte.“
//Ein freies Geschäft war schnell gefunden, nur ein paar Schritte entfernt vom Laden ihrer Eltern, die seit mehr als 40 Jahren am Domplatz das Glaswarengeschäft „Gläserkastl“ führen.

Mariannes Laden heißt „feinheiten“ und ist ein Concept Store mit Design, das ausschließlich aus Österreich und Deutschland stammt. „Es gibt so viele tolle Designer, die aber keine Möglichkeit zum Verkauf haben, denen möchte ich mit meinem Laden eine Plattform bieten.“
//Marianne hat vor allem Mode, Yogabekleidung, Interior Design, Accessoires, Porzellan und Papierwaren im Sortiment, das meiste davon gibt es ausschließlich bei ihr. „Viele, die das erste Mal bei mir bei der Türe reinkommen, sagen, es ist hier wie in Berlin. Das freut mich. Und ich glaube auch, dass mein Laden deshalb so gut läuft, weil ich in Westösterreich einzigartig bin.“ Vor zwei Jahren ist bei Marianne noch ein weiteres berufliches Projekt hinzugekommen: „Da ich für meine Brautjungfern keine Kleider gefunden habe, die mir gefallen haben und die auch nach der Hochzeit noch tragbar sind, lasse ich sie jetzt selber schneidern und verkaufe sie unter dem Namen ‚Blossomday‘ in meinem Onlineshop.“ Ihren Schritt in die Selbständigkeit hat Marianne nie bereut. „Reich wird man nicht, doch dafür kann ich mein Tempo gehen und sofort Entscheidungen treffen. Etwas Besseres gibt’s doch gar nicht.“
„Es gibt so viele tolle Designer.“
Marianne Kohlmaier-Ecker
