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OKTOBER 2016

Editorial

Über Pest und Cholera

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ährend Österreich noch warten muss, bis es einen Präsidenten hat, wird es bei unseren amerikanischen Freunden Anfang November richtig ernst. Die Parallelen zur österreichischen Wahl sind dabei ungewöhnlich groß. Zwar ist es in Übersee nicht völlig egal, wer Präsident wird, ansonsten gibt es aber große Gemeinsamkeiten. Die Spaltung des Landes in zwei Lager war noch nie so groß. Auf der einen Seite die Fortschritts-Verlierer, die in Trump ihren Erlöser sehen. Auf der anderen Seite die intellektuelle Elite, die zwar nach der vierten Flasche Barolo sehr wohl weiß, dass Hillary auch nicht die ideale Kandidatin ist, aber in ihr vor allem eines sieht – den Fortbestand des ihr bekannten Weltbildes. Und so wie hierzulande bildungsfernere und arbeitsnähere Schichten in einem extremen Kandidaten endlich die Abkehr vom Bestehenden zu erkennen glauben, erhofft sich das Amerika, das ohne den amerikanischen Traum auskommen muss, mit Trump endlich Besserung. In ihm sieht man jemanden, der zwar stinkreich und ein bisschen Trullatrulla ist, aber auch einen, der die Sorgen verstehen kann, die sich nur um ein paar Dollar drehen.

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Man kauft es den Kandidaten, die links der Mitte stehen, einfach nicht ab, dass sie in der Lage sind, sich um die Probleme des kleinen Mannes zu kümmern. Vielmehr hat man sie im Verdacht, dass sie ihren Fokus auf die Probleme der großen weiten Welt gerichtet haben und im Ernstfall eher den Fortbestand der Sartre-Beauvoir-Stiftung unterstützen, als den des Krankenhauses im Ort. In Österreich ist die Polarisierung in der Bevölkerung wohl ebenfalls so groß wie selten zuvor, aber nicht besonders real. Mit einem Endloswahlkampf zweier diametral gegenüberstehender Kandidaten und einer EU-Flüchtlingspolitik, die weniger selbstbewusst wirkt als ein pickeliger 14-Jähriger beim ersten Rendezvous mit der Klassenschönsten, entsteht beim Bürger das Gefühl, sich für eine Seite entscheiden zu müssen.

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Doch egal, wie er sich entscheidet, es geht ihm zum Glück in den meisten Fällen nicht so schlecht wie dem amerikanischen Volk. Denn dort ist der Graben zwischen Arm und Reich enorm. Und wer nicht zu den wenigen Superreichen oder dem schwindenden Mittelstand zählt, muss hier oft sein Dasein am Rande des Menschenwürdigen fristen. Amerika ist nicht nur Los Angeles oder New York, Amerika ist vor allem die ziemlich große Fläche dazwischen. Und während diese von Hillary Clinton gerne als Fly-Over-States bezeichnet wird, sieht Trump dort den Grundstein für eine mögliche Präsidentschaft. Denn in den USA muss man nicht die meisten Stimmen erzielen, um eine Wahl zu gewinnen, sondern die richtigen Staaten für sich entscheiden.

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In Österreich ließe sich das Wahldilemma leicht lösen, indem man das Amt einfach abschafft. Die letzten Monate haben doch eindeutig gezeigt, dass uns Heinz Fischer als Person zwar abgehen mag, aber das Amt nicht mehr zeitgemäß ist. Hier könnte man Kosten sparen und auch einiges an Würde wiedergutmachen. Schade, dass es trotzdem nicht passieren wird. In Amerika erwartet man sich vom neuen Präsidenten hingegen richtig viel: Er muss die Wirtschaft ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen, Armut bekämpfen, Bildungs- und Gesundheitssystem vorantreiben, eine neue Vision für das Land gestalten, dem Volk sein Selbstvertrauen zurückgeben und im besten Fall auch Angelina und Brad wieder zusammenbringen. Selbst letzteres ist wohl beiden kaum zuzutrauen.

 

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