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JÄNNER 2019

Editorial

Über den Anfang vom Ende

D

er Social-Media-Riese Facebook ist arg in Bedrängnis geraten. Nicht nur, dass junge Menschen immer weniger auf das Netzwerk zugreifen, das Vertrauen in den einstigen Giganten schwindet generell weltweit. Schuld daran sind diverse Skandale und der offensichtlich laxe Umgang mit Userdaten, Gründer Mark Zuckerberg trägt mit seinem unsicheren und teils hilflosen Auftreten auch nicht gerade zur Verbesserung der Situation bei.

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Und ganz ehrlich, ich verspüre sogar ein wenig Schadenfreude, geht mir der Internetgigant nämlich schon seit geraumer Zeit auf die Nerven. Dem Algorithmus, der bestimmt, welche Beiträge ich sehen darf, scheine ich jedenfalls nicht sonderlich am Herzen zu liegen. Wie könnte es denn sonst sein, dass ich immer dieselbe Leier serviert bekomme. Eigentlich nichts Regionales, dutzende Mal die gleichen Meldungen, von denen Facebook denkt, sie wären mein Ding, und mühsame Werbeanzeigen für Massenschrott aus Fernost zwischendrin. Und das Schlimmste: Katastrophen- und Negativmeldungen ohne Ende. Mal wird eine Familie ausgelöscht, mal ertrinkt ein Kind oder wird im Auto eingesperrt vergessen und ständig wird irgendwo jemand vergewaltigt oder sonst irgendwie misshandelt. Und deswegen kann ich nicht für alle sprechen, aber mich macht Facebook inzwischen depressiv. Ich will nicht das Elend der ganzen Welt mitbekommen, es reicht mir das in meinem Umfeld. Wer den Glauben hegt, dass die Welt ein lebenswerter Ort sein kann, verliert diesen als Facebook-Nutzer unausweichlich.

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Und auch abgesehen von der ständigen Weltuntergangsstimmung, ist der Social-Media-Dienst eigentlich entbehrlich. Wenn etwas offiziell Wichtiges auf der Welt passiert (Paradebeispiel: Tod eines Prominenten), bekommt man das gleich in mehrfacher Ausführung präsentiert, wenn etwas Wichtiges im eigenen Umfeld geschieht, ist das kaum zu erfahren. So hat es Facebook bis heute – vielleicht ja auch absichtlich – nicht geschafft, dass man wirklich alles erfährt, was seine Freunde so treiben, und News-Meldungen aus der Umgebung sind ebenfalls ein rares Gut. Und so kann ich zwar zehn Nachrufe auf Georg Bush senior lesen, aber die Information, welches Lokal in Innsbruck neu aufsperrt oder welche wichtigen Events am Wochenende anstehen, will mir der Social-Gigant einfach nicht verraten.

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Und deshalb weiß ich eines: Wenn Regional das neue Bio ist, dann könnte Facebook bald das neue MySpace sein.

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