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OKTOBER 2017

Sieben Standorte hat die Universitäts- und Landesbibliothek offiziell, doch nicht jeder eignet sich gleich, um dort produktiv zu lernen. 6020 hat sich umgesehen und einen überaus seriösen Bib-Test gemacht.

SoWi-Bibliothek

Erwartbarer Lernerfolg: 7/10,
Dresscode: très chic

Zwei Wörter: Big Business. Die SoWi-Bibliothek ist der Hort der zukünftigen Tesla-Fahrer und Vorstandsvorsitzenden mit akronymisier­-
ten Berufsbezeichnungen. Eine Armada von Wanna-be-CEOs brütet
über ihren Laptops, deren Äpfel auf der Bildschirmhinterseite in der Dämmerung leuchten. Glas, Beton und Sonnenlamellen geben den Vorgeschmack auf ein künftiges Yuppie-Leben im lässigen Office. Einen Coffee to go bekommt man in der SoWi-Mensa im Erdgeschoß, allerdings muss man sich hier seinen Namen selbst draufschreiben. Politikwissenschaft- und Soziologiestudenten scheinen irgendwie vom Erdboden verschluckt oder auf die Wiese vor dem Gebäude geflüchtet zu sein. Der Ausblick vom ersten Stock auf die besagte Grünfläche zwischen SoWi und MCI ist idyllisch und doch urban. Die Atmosphäre in der Bibliothek wirkt ernst, geschäftig und optisch von hellblauen Oxford- und Polohemden geprägt, doch auch hier gilt: Das Stöckelschuhklackern geht durch Mark und Bein.

Kleiner Tipp: Sein Coupé parkt man am besten in der Tiefgarage. Man kann ja nie wissen.

Ort: Universitätsstraße 15, 1. Stock
Leseplätze: 360, PC-Plätze: 50
Öffnungszeiten: Mo – Fr: 8 – 22 Uhr; Sa/So: 9 – 18 Uhr
Fachgebiete: u. a. VWL, BWL, Soziologie, Politikwissenschaft
Extrapunkt: Mensa im Haus

Fakultätsbibliothek Theologie

Erwartbarer Lernerfolg: 9/10,
Dresscode: bedeckt von Hals bis Knie

Im ersten Untergeschoß der theologischen Fakultät ist es still wie in einer Krypta. Emsigen Mönchen gleich sitzen hier Studenten in legeren Gewändern an von Büchern getürmten Tischen. Hier wird geschwiegen, maximal geflüstert, und die Stille wird nur vom Rascheln pergamentener Buchseiten angeknackst, nicht ganz durchbrochen. Eitelkeiten zählen hier nichts – im Gegenteil. Ora et labora – bete und arbeite – ist das Motto in diesen fast heiligen Hallen. Für den Sommer ist die Bibliothek wohl der angenehmste Arbeitsplatz: Es ist kühl und ruhig. Deshalb sind die Plätze auch recht schnell besetzt. Ein halbkreisförmiger Lichtschacht, durch den die Bücherreihen natürlich beleuchtet sind, macht sie möglicherweise zur schönsten Bibliothek.

Ort: Karl-Rahner-Platz 1, 1. UG
Leseplätze: 115, PC-Plätze: 31
Öffnungszeiten: Mo – Do: 9 – 18 Uhr; Fr: 9 – 17 Uhr  
Fachgebiete: u. a. Theologie, Philosophie
Extrapunkt: still, kühl, optisch ansprechend

Hauptbibliothek

Erwartbarer Lernerfolg: 5/10,
Dresscode: Slacker/Smart Casual

Die „Bib“, wie sie von den meisten genannt wird, ist das Mutterschiff unter den Universitätsbibliotheken und doch so viel mehr: Schauplatz des in der Prüfungsphase allmorgendlichen Bib-Runs, mutmaßliche Partnerbörse und vor allem Mikrokosmos des studentischen Daseins. Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral – das steht nicht nur in einem der Bücher im hinteren linken Eck. Wer hier einen Platz will, muss kämpfen. Die Bib an einem Dezembertag evoziert dasselbe Verhalten wie ein Ferragosto-Urlaub in Jesolo. Bücher werden schon um acht Uhr morgens auf freie Plätze geworfen wie Handtücher über leere Sonnenliegen. Und dann? Erst mal gemütlich zwei Stunden lang frühstücken gehen. Der lange, hallende Gang durch die Innereien des Neubaus ist ein akustisches Medium für jede Art von Bib-Besucher: mal ein Birkenstock-Schlurfgeräusch-Verstärker, mal ein Hochhacken-Klack-Generator. Ist schließlich ein Platz gesichert, koexistieren die Verschlafenen in Jogginghose und mit Zahnpasta um den Mund fast friedlich mit den Barbies und Kens, die man über Nacht versehentlich im Peek & Cloppenburg eingesperrt hat. Antisoziale Lernasketen ohne Ohrenstöpsel sind hier falsch, richtig sind die Gruppenkuschler, die, die am Sonntag im Bahnhof-MPreis einkaufen und am Sonnendeck „chillen“. Der Lesesaal im Altbau, durch den schon jeder einmal mehr oder weniger freiwillig geführt wurde, ist schön anzusehen und ruhig. Durch die gegenüberliegenden Tische treffen sich so manche Blicke. Hogwarts-Feeling mit Flirtfaktor.

Ort: Altbau: Innrain 50, Neubau: Innrain 52 f
Leseplätze: 525, PC-Plätze: 61
Öffnungszeiten: Mo – Fr: 8 – 24 Uhr (ab 2. Oktober), Sa/So: 8 – 18 Uhr
Fachgebiete: u.a. Geisteswissenschaften, Geo- und Atmosphärenwissenschaften
Bonus: großer Freihandbereich, Ausleihen sind schnell da

Bibliothekszentrum West

Erwartbarer Lernerfolg: 9/10,
Dresscode: Engineer Casual

Draußen in der Technik läuft alles ein bisschen komplizierter ab. Für die Bibliotheksbesucher hat man sich anscheinend eine Art subtilen IQ-Test, einen imaginären Burggraben gegen Vollidioten, einfallen lassen. Im ersten Stock bekommt man den Schlüssel für einen Spind im Erdgeschoß. Die Spinde sind aber nicht nach aufsteigender Zahlenreihenfolge, sondern nach der molekularen Zusammensetzung eines Antidepressivums aufgestellt. Hat man nach einer Stunde seinen Spind gefunden, kann der Spaß losgehen. Im Lesesaal schwebt der Duft der Neunzigerjahre, verursacht durch einen beigen Filzboden, hölzerne Regalreihen und verstaubte Gummibäume. Um die PCs anzuschalten, deren Hardware mittlerweile älter als die neuen Erstsemester sein dürfte, muss man sie zuerst ans Stromnetz anschließen. Man merkt gleich: Das Bibliothekszentrum West ist ein Ort der Tüftler, der Denker, der Selbermacher. Große, helle Räumlichkeiten mit gutem Ausblick auf die Nordkette und die weiten Wiesen im Westen schaffen eine inspirierende Lernatmosphäre.

Ort: Technikerstraße 25, 1. Stock
Leseplätze: 207, PC-Plätze: 15  
Öffnungszeiten: Mo – Fr: 9 – 19 Uhr
Fachgebiete: Technik, Architektur, Bauwissenschaften, Naturwissenschaften
Extrapunkt: viele Sitzplätze, freundliche Atmosphäre, keine Bobos

Medizinisch-Biologische Fachbibliothek 

Erwartbarer Lernerfolg: 8/10,
Dresscode: zumindest ein weißes Kleidungsstück

Schon auf der Treppe hinauf in die Medizinisch-Biologische Fachbibliothek strömt einem der schwache Geruch von Desinfektionsmittel entgegen. Oben riecht es nach Hallenbad, die Türen erinnern an Krankenhäuser aus den Siebzigerjahren. Die Mediziner-Bib scheint der Themenpark unter den Bibliotheken zu sein. Hier herrscht Labor­atmosphäre: Auf blauem Linoleumboden brütet man zwischen sterilen Alulampen und dicken Bänden. Die Tische gruppieren sich um ein Atrium von Bücherregalen, auf denen schwere Wälzer ausladend zu kleinen Paketen gruppiert durchgestrebert werden wollen. Menschen in weißen Kitteln sieht man hier leider selten, da muss man schon im halbberühmten Klinik-Spar suchen. Seziermäntel werden in die Kästen gesperrt, die Bücher müssen vor Eselsohren und Körperflüssigkeiten bewahrt werden. Wer ein Lernerlebnis mit Sci-Fi-Touch sucht, ist hier richtig. Die Fachbibliothek ist ein Muss für Fans von „Grey’s Anatomy“ und „Jurassic Park“.

Ort: Schöpfstraße 41, 1. Stock
Leseplätze: 180, PC-Plätze: 15
Öffnungszeiten: Mo – Fr: 8 – 22 Uhr; Sa: 9 – 17 Uhr
Fachgebiete: Medizin und Biologie  
Extrapunkt: gute Überlebenschancen im Notfall

Bibliothekarische Zentralverwaltung der rechtswissenschaftlichen Fakultät   


Erwartbarer Lernerfolg: ? (außer man kann auch, wenn andere zusehen),
Dresscode: Suits, at least

Erste Regel: Man redet nicht über die bibliothekarische Zentralverwaltung der rechtswissenschaftlichen Fakultät. Zweite Regel: Man REDET NICHT über die bibliothekarische Zentralverwaltung der rechtswissenschaftlichen Fakultät. Im Ernst: Die Fachbibliothek ist ein Club, in den man nicht so leicht hineinkommt. Dazu kommt das ungeschriebene Gesetz der Universitätsteilbibliotheken, welches besagt: Je länger der Name einer Bibliothek, desto schwerer ist sie zu finden. Hat man die Tür mit dem unscheinbaren Schild einmal entdeckt, muss man läuten, ja, klingeln. Im Raum gibt es ein paar grün überzogene Sessel, ein Bibliothekar bleibt so lange vor einem stehen, bis man Sinn und Zweck seines Besuches dargebracht hat, und geht erst, wenn man selbst wieder geht. Die Skepsis ist jedoch begründet: Eine Sicherheitsschleuse gegen Bücherdiebe gibt es hier nicht, und selbst der Nervtöter aller Bibliothekare, der Rucksack, wird hier nicht abgegeben. Das Gefahrenpotenzial ist dementsprechend hoch.

Fazit: Ein feiner, auf zwei Räume verteilter Club mit exakt zwölf Lesesesseln, voluminösen Volumina und gespenstischer Stille.

Ort: Christoph-Probst-Platz, 2. Stock
Leseplätze: 10, PC-Plätze: 2  
Öffnungszeiten: Mo – Do: 9 – 17 Uhr; Fr: 9 – 15 Uhr
Fachgebiete: Rechtswissenschaften  
Extrapunkt: wer es rein geschafft hat, hat auch seine Ruhe

Fachbibliothek Atrium  

Erwartbarer Lernerfolg: 9/10,
Dresscode: Toga und Sandalen

Ausgerechnet in einem riesigen, gläsernen, modernen Koloss befinden sich das Zentrum für alte Kulturen und die Fachbibliothek Atrium am Langen Weg. Im Eingangsbereich fällt einem ein Marmorrelief ins Auge. Im ersten Stock gibt es neben Steinzeitmenschenpuppen einen ganzen Saal voller weißer Statuen und gleich darüber die Bibliothek. Aus den zwei Freihandbereichen hat man wahlweise den Ausblick auf den Statuenhof oder auf das Maisfeld darunter. Der Ort ist still, die Plätze sind lauschig, die Bibliothek wirkt und ist noch relativ neu.


Fazit: Ein ruhiger, fast besinnlicher Platz zum Lernen, umgeben von den Torsos nackter weißer Menschen.

Ort: Langer Weg 11
Leseplätze: 60, PC-Plätze: 20
Öffnungszeiten: Mo – Do: 9 – 17 Uhr; Fr: 8 – 16 Uhr
Fachgebiete: alte Kulturen, Archäologie
Extrapunkt: Museumsatmosphäre, wenn man’s mag