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SEPTEMBER 2020

Editorial

Über Chancen in Zeiten der Krise

G

roß war der Aufschrei, als es unser Bürgermeister letzten Oktober wagte, den Innsbrucker Flughafen in Frage zu stellen. Nur ein paar Monate und eine weltweite Pandemie später scheint dieser Gedanke gar nicht mehr so abwegig. Nach einer Zeit ohne und in einer Zeit mit wenig Flugverkehr durften wir alle erleben, dass ein Flughafen vor der Nase zwar eine feine Sache ist, aber keine unbedingte Notwendigkeit. Natürlich schätzen die Tiroler den Direktflug in den Urlaub, die regelmäßige Anbindung an Frankfurt als Drehscheibe zu internationalen Destinationen, und auch der Trip nach Wien ist trotz schneller Bahn mit dem Flugzeug hin und wieder einfach effizienter. Für den Tourismus ist das Fliegen als Anreiseform übrigens weit weniger wichtig, als man vielleicht meinen möchte. Nur rund fünf Prozent der Urlauber kommen über den Luftweg nach Tirol, die meisten nehmen die Bahn, die allermeisten fahren mit dem eigenen Auto. 

 

In Zeiten, in denen die ganze Welt Kopf steht und keiner so recht weiß, in welche Richtung sich unsere Zukunft entwickeln wird, müssen radikale Überlegungen zumindest erlaubt sein. Innsbruck ohne Flughafen, wo würde uns das hinführen: Die Nachteile – schlechtere Anbindung, weniger Reisemöglichkeiten und Menschen, die ihren Job verlieren – liegen auf der Hand. Könnten die Vorteile trotzdem überwiegen? Die Fläche, die ein geschlossener Flughafen der Stadtentwicklung bringen würde, wäre jedenfalls so riesig, dass alle Wachstumsprobleme und wohl einiges mehr auf einen Schlag gelöst wären.

 

Plötzlich wäre genug Raum für alle da, und Wohnen würde durch die Erhöhung des Angebots und die damit verbundene Senkung der Immobilienpreise leistbar werden. Dem nicht genug, bliebe dann wahrscheinlich immer noch genug freie Fläche für andere Ideen: eine Sporteinrichtung, Grünflächen, ein Wasserpark, Generationenwohnen, Wirtschafts- oder gar Forschungsinitiativen – Innsbruck hätte endlich das, was seit jeher fehlt: genügend Platz für alle und alles.

 

Und so wäre mein Wunsch an die Politik, dass sie neben dem Alltagsgeschäft noch Zeit finden würde, sich auch mit einem visionären Projekt auseinanderzusetzen. Vielleicht liegt die Lösung aller Probleme viel näher als gedacht. Und unser Bürgermeister hat’s immer schon gewusst.


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