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SEPTEMBER 2018

Editorial

Über die Neuerfindung des Rades

E

s ist eine Glaubensfrage in der Innsbrucker Bevölkerung. Die einen, es ist wohl die Minderheit, können den Sportgroßveranstaltungen in Innsbruck und Umgebung etwas abgewinnen. Euro 2008, Jugendspiele 2012, Kletter- und Rad-WM 2018 und dann noch die Nordische WM 2019 in Seefeld. Dazwischen noch ein paar kleinere Kaliber wie die Biathlon-WM in Hochfilzen oder die Children Games in Innsbruck. Viel Geld für noch mehr Effekt ist hier das Credo. So eine Rad-WM kann gerne mal über zehn Millionen kosten, 500.000 Zuschauer vor Ort sollen aber Geld in die Kassen der heimischen Wirtschaft spülen und 200 Millionen vor dem Fernseher sollen Tirol als potenzielles Urlaubsland kennen und lieben lernen. Innsbruck ist größenmäßig ein Kaff, dank der vielen Großevents ein verdammt bekanntes allerdings.

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Argumente, die für die Mehrheit der Bevölkerung nicht gelten. Zu teuer, zu sinnlos, zu mühsam – so der Tenor der Bevölkerung. Was interessieren einen Millionen potenzieller Gäste, wenn man morgens dank Rad-WM im Stau steht oder überhaupt das Auto zu Hause lassen muss? Opfer will hier keiner bringen und das nicht nur, weil der Innsbrucker gerne als Verhinderer gilt. Der Großteil der Bevölkerung versteht schlichtweg nicht, was diese Großevents wirklich bewirken sollen. Der Grund hierfür ist wiederum leicht erklärt: Die Kommunikation nach innen ist schlichtweg grauenhaft. So gelten wir in der ganzen Welt als Top-Destination im Tourismus und beweisen laufend, dass wir Großevents im sportlichen Bereich sauber über die Bühne bringen können – und schaffen es aber nicht, dass die heimische Bevölkerung den Nutzen daraus erkennt. 

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Tirol kommuniziert besser mit der Welt als mit den Tirolern selbst. Die mögen nämlich keinen Tourismus, obwohl viele direkt oder indirekt davon leben. Sie sehen in Großevents nur Staus und verbranntes Geld. Und schuld daran ist – neben einer Portion angeborener Dickköpfigkeit – die miserable Kommunikation. So könnte man bei der Rad-WM doch gleich 15 statt neun Millionen budgetieren, oder hat man wirklich geglaubt, dass dies das erste Großevent ist, das nicht den Rahmen sprengen wird? Und zwei von den 15 Millionen hätte man gleich nehmen sollen, um der Bevölkerung erstens zu erklären, dass so eine WM auch eine echte Chance ist, und zweitens, wo sie sich an welchem Tag besser nicht aufhält, damit der Ärger nicht zu groß wird.

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Stattdessen das alte Lied von zu wenig Geld und Sponsoren, von der gemeinen Welt, die nicht sieht, was hier überhaupt geleistet wird. Wenn Tirol nicht lernt, die Tiroler für touristische Projekte zu begeistern, wird das ewig so weitergehen. Denn alles Neue und alles Große ist nun mal für viele schlecht, bis das Gegenteil bewiesen ist, und nicht umgekehrt.

 

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