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MÄRZ 2019

Editorial

Über den Rückschritt im Fortschritt

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ass Alice Schwarzer und ich bei einem Thema einer Meinung sein könnten, hielt ich lange Zeit für unmöglich. Es sollte vor und nach dem März 2010 auch nie wieder der Fall sein. Immerhin, in ebendiesem März 2010 forderte die deutsche Chef-Emanze die Abschaffung des Weltfrauentags, er sei gönnerhaft und obendrein eine sozialistische Erfindung. Zudem impliziert ein Frauentag doch irgendwie auch 364-Nichtfrauentage.

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In so entwickelten und stabilen Ländern wie Österreich könnte man meinen, der Weltfrauentag sei ohnehin obsolet. Doch gerade hier sollte öfter als einmal im Jahr darüber nachgedacht werden, was Gleichstellung bedeutet, wer das überhaupt will und wie das wirklich möglich werden kann. Hierzulande gehen Mütter gerne ein Jahr oder auch bis zu zwei Jahre in Karenz, was dem Familienleben meistens zuträglich ist, aber gleichzeitig die Frau vom Berufsleben fernhält. In England zum Beispiel hat man sich auf 13 Wochen Karenzzeit geeinigt, allerdings unbezahlt. In den Niederlanden gönnt man seinen Müttern 26 Wochen Pause, ebenfalls unbezahlt. In Frankreich gibt es überhaupt keine Karenzzeit, aber man kann bis zum Ende des dritten Lebensjahres des Kindes um sogenanntes Erziehungsgeld ansuchen, was in etwa unserer Kinderbeihilfe entspricht. Das sind allesamt Maßnahmen, die vordergründig dem Staat Geld sparen. Auf den zweiten Blick zeigen sie aber die gesellschaftliche Entwicklung in einem Land sehr gut auf. Wenn man so will, ist man in den meisten EU-Ländern in Sachen Gleichberechtigung demnach weiter als in Österreich. Denn wenn ein Staat Gleich­berechtigung will, muss er auch dafür sorgen, dass alle dieselben Möglichkeiten haben. In Österreich unterbricht eine Frau, wenn sie nicht gerade Ministerin ist, immer ihre Karriere. Wenn sie keine Karriere (wie der Großteil der Menschen übrigens) vor sich hat, sondern nur einen Job, wird sie diesen in den meisten Fällen, mit weniger Stunden nach der Karenz absolvieren müssen. Für den Dienstgeber sind Frauen dadurch noch unberechenbar geworden, wann kann man mit der Rückkehr rechnen und in welchem Ausmaß?

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Der Staat tut alles dafür, dass es den Frauen nicht gelingt, ins Berufsleben zurückzufinden. Es gibt kaum Ganztagesschulen, die Kinderbetreuung endet gerne um 16 Uhr. Dazu kommen neun Wochen Sommerferien, die wohl klarste Ansage des Staates. Zu guter Letzt hat man mit dem neuen Pensionssystem final dafür gesorgt, dass die Abhängigkeit der Frau wieder steigt. Kümmert sie sich mehr um die Familie als um den Job – und das muss sie mit diesen Rahmenbedingungen zumeist –, wird sie dafür mit einer mini­malen Pension abgestraft.

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Insofern hat Alice Schwarzer heute mehr denn je recht, wenn sie aus einem Tag am 8. März „365 Tage für Menschen, Frauen wie Männer“ machen will. Oder anders formuliert: Habe ich 2010 gemeint, dass es eine Alice Schwarzer nicht mehr braucht, muss ich mir heute eingestehen – zumindest in Österreich braucht es sie mehr denn je.

 

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