enn Sie diese Zeilen lesen, werden Sie Zeuge und vielleicht auch Teil eines Experimentes. Ich schreibe diese nämlich zu einem Zeitpunkt, zu dem Österreich noch nicht weiß, wer denn sein nächster Bundespräsident sein wird. Während im ganzen Land Wahlkarten ausgezählt werden, diskutiert man darüber, wie symbolhaft diese Wahl für die Demokratie sein wird. So deutlich sieht man, was wenige Stimmen ausmachen können, ganz klar glaubt jetzt ein jeder zu wissen, dass man doch etwas verändern kann. Vor lauter Aufregung scheint Österreich ganz vergessen zu haben, dass nur der österreichische und nicht der amerikanische Präsident zur Wahl gestanden ist.
//Ich behaupte nämlich, dass heute – rund eine Woche nachdem diese Worte verfasst wurden und der Bundespräsident vermutlich knapp, aber doch ermittelt werden konnte – das Interesse mehr oder weniger verschwunden ist. So groß der Wirbel um die beiden Kandidaten und so einmalig die Polarisierung, so schnell verlässt die Politik auch wieder den Alltag der Menschen. Kaum einer hat unter der Zeit das Bedürfnis, für etwaige Veränderungen selbst einzutreten oder gar aktiv zu werden. Kaum einer kehrt nicht zurück in die Herde des passiven Wahlvolkes, nachdem sich der Rauch verzogen hat. Und deshalb ist es auch kein großes Wunder, dass die Parteien im Wahlkampf unsere Ängste schüren und uns aufhetzen gegen das Spiegelbild unserer eigenen Unzulänglichkeiten. Dabei vergessen wir gerne, dass nicht jeder Blauer ein rechter Burschenschafter und nicht jeder Grüner ein intellektueller Kettenraucher ist.
So groß der Wirbel um die beiden Kandidaten und so einmalig die Polarisierung, so schnell verlässt die Politik auch wieder den Alltag der Menschen.
Gerne würde ich mich ja täuschen, aber ich bin mir fast sicher, dass es Ihnen inzwischen ziemlich egal ist, wer unser Bundespräsident ist. Am Wahltag war das mit großer Wahrscheinlichkeit ganz anders, aber jetzt unterstelle ich Ihnen einfach so, dass wenn ich Sie nicht daran erinnert hätte, Wichtigkeit und Emotion zu diesem Thema völlig verblasst wären. Woher ich das wissen will? Ich bin Anhänger der Durchschnittstyp-Theorie und schließe deshalb gerne von mir auf andere. Und deshalb frage ich mich: Warum sollte es Ihnen nach einer Woche anders ergehen als mir schon nach einem halben Tag?
//Ein Thema in eigener Sache noch schnell zum Schluss: Sie halten diesmal die 200. Ausgabe des 6020 Stadtmagazins in Händen. Ein guter Grund zum Feiern, was wir in Form einer Jubiläums-Ausgabe Anfang November auch tun werden. Zu diesem Zeitpunkt wird 6020 nämlich gar nicht mehr so junge 15 Jahre alt.
Vielen Dank für Ihre Treue und viel
Spaß beim Lesen!