ei Einladungen eine Flasche Wein mitzubringen zeugt von einem gewissen Stil. Wer jetzt hingegen eine Kiste Bier in die Behausung der Gastgeber schleift, beweist eher Qualitäten eines mit den Gepflogenheiten des gesellschaftlichen Lebens unbewanderten Pragmatikers oder wird wohl als gleichermaßen umsichtiger wie bedürftiger Selbstversorger wahrgenommen werden. Interessanterweise treffen die Argumente für Wein als Mitbringsel (1. kann mehr oder weniger jeder brauchen, 2. lässt sich gut aufbewahren, 3. Preis unbekannt bzw. wegen diverser 1+1-gratis-Aktionen schwer einzuschätzen) auch auf Waschmittel zu. Das nimmt aber niemand mit.
//Folgende Ausführungen hört man in den Haus- und Wohnungsfluren dieser Welt dementsprechend praktisch nie: Oh, danke – ein Vorteilspack Persil mit Frischeperlen von Silan. Super, das kann man ja immer brauchen. Heinz bringt es gleich in den Abstellraum, lässt sich ja gut aufbewahren. Mensch, was ihr euch das immer kosten lasst, das würde ich ja echt gern einmal wissen.
//Was übrigens auch nie jemand sagt, obwohl es wortästhetisch absolut angebracht wäre: Sie haben da ein etwa weintraubengroßes Mitbringsel im Zwölffingerdarm, vermutlich gutartig, das aber schleunigst operativ entfernt gehört.
//Wenn Sie aus dieser Geschwulstassoziation gewisse Vorbehalte meinerseits gegenüber sogenannten kleinen Aufmerksamkeiten herauslesen, liegen Sie richtig und ich darf Ihnen wie immer für Ihren Riecher, den ich mir im Übrigen äußerst formschön imaginiere, gratulieren. Sich bei Gastgebern neben jeder Menge guter Laune und Dreck unter den Schuhen auch noch mit irgendwelchem Krempel einzustellen, stehe ich mindestens reserviert gegenüber. Zumal es ja eine wunderbare Erfindung gibt: die Einladungsreziprozität. Dahinter verbirgt sich ein so einfaches wie geniales Prinzip: Ich lade dich ein, du lädst mich halt ein anderes Mal ein.
Chateau Migraine, von Paul am 13.8.18 erhalten.
Übersetzt in den Freunde-verbringen-einen-Abend-zusammen-Kontext bedeutet das: Erwin, das Essen war super. Entschuldige das Brandloch in der Couch und die zertrümmerte Stehlampe. Da deine Freundin uns letztes Mal ja das Filet Mignon und eine Flasche Primitivo auf den Perser gekotzt hat, trifft sich das aber eh perfekt. War ein toller Abend. Falls ihr eine Katze habt, dann ruf mich bitte an.
//Amnesien oder Vergesslichkeit führen im Zusammenhang mit Wein als Präsent freilich auch schon im un- oder nur leicht angetrunkenen Zustand zuhause immer wieder zu Problemen. Hat man den australischen Shiraz im geschmackvollen Stahltankausbau von Bernd und Anneliese bekommen oder doch bei der letzten Firmenweihnachtsfeier? Nirgendwo ist penible Buchführung deshalb sinnvoller. Nur wer den Montedulcioso D’Absurdo nach Erhalt katalogisiert, weiß ein halbes Jahr später noch, dass er ihn, um die Peinlichkeit der versehentlichen Geschenks-reversion zu vermeiden, zu Tante Hertha eben nicht mitnehmen kann.
//Ein Eintrag im Verzeichnis könnte etwa lauten: Chateau Migraine, von Paul am 13.8.18 erhalten, Preis laut Internet: EUR 2,90. Oder: Gumpoldskirchener Nierentritt (Flaschenabfüllung, slowakisches Etikett), von Manuela und Daniel erhalten am 06.02.19, Preis laut Internet: nicht feststellbar, aber Bewertung gefunden: „pelzige Sulfit-Plörre“.
//Soll vermutlich heißen: Der perfekte Wein zum Weiterschenken.
//Apropos Präsent: Falls Sie sich selbst wieder einmal etwas schenken wollen – wie wäre es mit guter Laune im Postfach? Ab sofort gibt es meinen wöchentlichen Newsletter mit Wohlfühl-Betrachtungen auf internationalem Wellnessniveau. Abonnieren Sie ihn doch einfach unter jf-park.com.