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AUGUST 2019

Essay

Wanderlust

Das Meer ist aber auch super.

M

an macht sich keine Freunde, wenn man das Meer nicht mag. Klar kannst du dich hinstellen und verkünden, das Meer, liebe Leute, ist in erster Linie ein prima Ort, um Plastik zu sammeln – es wird dich nur maximal jeder als dehydrierten Zyniker bemitleiden. Vielleicht setzt es sogar behände platzierten Auswurf oder Hiebe. Weil das Meer mag einfach jeder. Die marine Wassermasse ist so was von ein Sympathieträger. Ich würde mich sogar dazu versteigen zu behaupten, das Meer ist der junge, ibiza-gestählte ZIB-Moderator Pötzelsberger der Erdoberfläche.

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Es sollte einmal eine Statistik gemacht werden, wie viele Leute jährlich aus Begeisterung ertrinken. Es ist ja wahnsinnig schwer, euphorisch und ergriffen zu sein und dabei gleichzeitig weitere Tätigkeiten auszuführen. Schwimmen zum Beispiel. Deshalb muss das einfach eine relevante Todesursache in der Urlaubszeit sein. Ich schätze Platz zwei nach der Autan-Überdosis.

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Wahrscheinlich könnte auch ein x-beliebiger Fischer so manchen Schwank erzählen. Wie sich erwachsene Mitteleuropäer die Kleider vom Leib reißen und wie Fünfjährige auf vier Cola ins Wasser hopsen. Kaum gerät man nur in Küstennähe, gibt es immer jemanden, der aufgeregt im Auto/Zug/Flugzeug ruft: Das Meer, ich seh das Meer. Vermutlich finden sich sogar Leute, die dasselbe auf Kreuzfahrten tun. Auch deshalb ist immer ein Schiffsarzt an Bord.

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Es kann allerdings nicht jeder vom Meer über die Maßen begeistert sein. Politiker im Wahlkampf müssen hier äußerste Zurückhaltung üben, weil unser kleines Scheißland leider über kein Meer verfügt. Du musst dir die Politkarriere ganz hart weggefeiert haben, dass du diesen Sommer als Staatsdiener am Meer Urlaub machen kannst. Auf Ibiza zum Beispiel.

In der Urlaubszeit wird politisch richtig was weggehiked.

Jeder Amtsträger oder Aspirant, der die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat, urlaubt natürlich in Österreich. Gut, ein Kulturstaatssekretär oder dritter Nationalratspräsident darf vielleicht auch in die Toskana. Für alle anderen gilt: Salzkammergut, Südsteiermark, solche Sachen. Und immer wandern. In der Urlaubszeit wird politisch richtig was weggehiked, wie wir Outdoor-Guides in die Mundstücke unserer Camelbags zu nuscheln pflegen. Klar: Du kannst ja als Spitzenkandidat mit Sympathisanten nicht squashen gehen oder so. Ein Herzinfarkt, drei Mal in den Court gekotzt – damit lässt sich keine besonders schöne Geschichte erzählen.

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Deshalb also rein in die Bergschuhe und raus in die Natur. In der Regel wird ein Grashügel im niederösterreichischen Teil des Himalaya bezwungen. Mit hundertfünfzig abkommandierten Parteikadern und drei holländischen Touristen, vor allem aber mit ganz, ganz großartiger Symbolik: Es geht aufwärts, wir nehmen die Menschen mit, wir gehen – gemeinsam! – unseren Weg. Und überhaupt: Das ist ja voll die Bergpredigt, notiert der Kommunikationsstratege euphorisiert, wenn er nicht gerade superharmlose Festplatten der Pulverisierung überantwortet.

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Womit wir bei „Walter Maisinger“ angelangt wären. Auch das ist ein Gipfel – der Verrücktheit, ist man geneigt zu sagen. Sicher aber ist es nicht der letzte Gipfel auf diesem Weitwanderweg von einem Wahlkampf.

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 Im Übrigen bin ich der Meinung, Wandern ist gut, Lesen ist besser: Abonnieren Sie doch meinen kostenlosen wöchentlichen Newsletter für Wahlberechtigte ab zwölf Jahren. Geht ganz einfach unter jf-park.com.

 

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