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JULI 2020

Essay

Verlorene Illusionen

Aber Cappuccino auch nachmittags

U

nlängst nutzte ich eines dieser Übersetzungsprogramme im Internet, um einen schwierigen Sachverhalt in Gefilde fern meiner Muttersprache zu überführen. Gerne gebe ich zu, dass dies aus Faulheit geschah. Und auf Grund beträchtlicher Inkompetenz. 

 

Mir ist das jetzt fast ein bisschen peinlich. Weil es sprechen ja heutzutage immer alle wahnsinnig gut Englisch. Vor allem in Bewerbungsschreiben. Man muss sagen: Oft tröpfelt es in der Realität halt dann doch mehr, als es fließt. But in such a case you have to apply thick, right?

 

Jedenfalls: Diese Übersetzungsdinger sind mittlerweile beängstigend gut. Begeistert von der klaglosen Durchführung ließ ich mir die Eingabe vom Englischen gleich weiter ins Rumänische übertragen und von dort über einen kleinen Abstecher in den slawischen Bereich ruckizucki wieder zurück ins Deutsche. Was soll ich sagen? Die raffinierte Translationsmaschine fand doch tatsächlich wieder zurück zum Ausgangspunkt.

 

Da fragt man sich, wozu man sich jetzt zum Beispiel noch einen Italiener im Freundeskreis hält. Weil es ist ja so: Die künstliche Intelligenz quatscht dich nicht mit epischen Elogen auf Juventus Turin voll und schreibt dir auch nicht vor, wann du deinen Cappuccino trinken darfst. Und wenn du die KI frägst, was heißt das jetzt auf Spanisch, blafft sie nicht zurück: Mänsch Giovanni, eiße icke Carlos, oder wasse?

 

Gerade auch in der Urlaubszeit ist diese großartige Übersetzungstechnologie einSegen. Mit der richtigen App am Smartphone kann man sich sogar diesen Sommer in Gegenden wagen, wo du mit Deutsch und Schulenglisch normalerweise aufgeschmissen bist. In die Südsteiermark zum Beispiel oder nach Favoriten. Auch wer etwa im Kroatischen nicht so firm ist, bekommt wertvolle Unterstützung bei Sätzen wie: Bitte nehmen Sie den Taser weg, das ist doch bloß Heuschnupfen!

In such a Case you have to Apply Thick, Right?

Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es auf griechischen Flughäfen hilfreich ist, wenn man in mindestens sieben Sprachen verlautbaren kann: Ich habe meinen QR-Code leider verschustert, schwöre aber auf das Leben meiner dreizehn Instagramfollower, dass ich virusfrei bin.

 

Bei aller Faszination für den techno-lo-gischen Fortschritt stellen sich jedoch durchaus auch Bedenken ein. Man muss sagen: Eine künstliche Intelligenz, die profund ausgebildete Geistesarbeiter, wie es Übersetzer sind, am Ende um den Job bringt, macht wohl auch vor verwandten Bereichen wie dem Journalismus nicht halt. 

 

Ich selbst gebe mich da überhaupt keinen Illusionen hin: Mit jedem verbesserten Algorithmus, mit jeder neuen Verknüpfung im neuralen Netzwerk, mit all den Fortschritten im maschinellen Lernen rückt der Tag näher, an dem Sie, verehrte Leser, einfach überflüssig werden.

 

Das macht dann alles eine KI. Die hat nie was Besseres zu tun, ist niemals unkonzentriert und liest keine Texte der Konkurrenz. Ja, sie lacht nicht mal an den falschen Stellen. Und im Premium-Abo schreibt sie bestimmt auch enthusiastische Leserbriefe, in denen genau so viel Kritik enthalten ist, wie ich gerade noch ertragen kann. Wahrscheinlich brauche ich dann sogar meine Tabletten nicht mehr. PS: Solange aber noch intelligente, hinreißend attraktive Menschen wie Sie das Lesen übernehmen, darf ich meinen wöchentlichen Newsletter zur gefälligen Kenntnisnahme andienen. Kostenlos abonnieren geht ganz einfach auf jf-park.com. 


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