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JULI 2018

Essay

Schwimmbad-Blues

Why the Bad is so bad

W

enn man heute eine kritische Haltung gegenüber Hornhaut pflegt und diese kundtut, hängt man sich nicht besonders weit aus dem Fenster. Nein, es ist dann nicht so, dass Freunde einen beiseite nehmen und sich sorgenvoll nach dem Wohlbefinden erkundigen, während sie mit bloßen Händen eine selbst gedrechselte Darth-Vader-Figurine aus Birnbaum zurechtschmirgeln. Wenn man sich jedoch abfällig über Schwimmbäder äußert, was ja nicht zuletzt auch etwas mit kategorischer Hornhautkritik zu tun hat, gilt man rasch als vergnügensagnostischer Sonderling, dem man ein dringendes Verheimlichungsbedürfnis unterstellt – auf Grund anatomischer Anomalien etwa oder einer großflächigen Jugendsünde, wie sie ein New-Kids-on-the-Block-Tattoo fraglos darstellen würde.

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Ich hasse Schwimmbäder trotzdem. Und um das gleich klarzustellen: Meine Ablehnung schließt auch rechtsdrehende Biotümpel mit Falafelstand mit ein sowie wahnsinnig intellektuell gelegene Bergseen und Luxus-Strandbäder inklusive Süß- oder Salzwasseranbindung, die von Erfolgsmenschen so gerne frequentiert werden, sowieso. Nicht dass jemand leserseitig meint, ich hätte nur mit dem prekariatsdominierten Vollchlorbad ein Problem. Nein, ich lehne das Konzept Schwimmbad in seiner Gesamtheit ab. Warum? Weil es total Banane ist.

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Sich vor einer wie auch immer gearteten Wasseransammlung zusammenzurotten, dabei seine Kleidung häufig weit über das erträgliche Maß zu reduzieren, alle eineinhalb Stunden in einer Emulsion aus Sonnencreme, Urin, Schweiß und etwas Wasser, manchmal noch von Entenscheiße abgerundet, herum-zuhopsen, um zwischenzeitlich an einem Magnum Amarant Cashew um 125 Euro zu knabbern und ansonsten die Zeit totzuschlagen – das kann doch bitte nicht ernst gemeint sein.

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Nun ist es ja nicht so, dass ich mich manchmal nicht selbst in eine derartige Freizeiteinrichtung verfüge, den mitgeführten leptosomen Schandleib ortsangemessen entblättere und dann mehr oder weniger stoisch meine familiären Pflichten erfülle.

 

Grundsätzlich kommt die drei-K-Regel zum Tragen.

 

Kinder lieben ja Schwimmbäder. Aber Kinder lieben auch irgendwelche Disney-Tiefkühl-Monarchinnen und Bücher von Thomas Brezina, weshalb man solche infantilen Präferenzen nicht überbewerten sollte.  

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Grundsätzlich kommt beim Schwimmbadbesuch spätestens ab 10 Uhr die unerbittliche Drei-K-Regel zum Tragen: kein Parkplatz, kein Schatten, keine Ruhe. Weil damit einem Berufsmasochisten wie mir aber noch nicht genug Leid angetan ist, verschärft sich das Ganze noch, und zwar dank meiner Unfähigkeit zu liegen. Ja, liegen. Insbesondere die spätgeborene Leserschaft wird sich hier in jugendlicher Unbekümmertheit fragen, was bitte schwer daran sein soll, sich selbst auf einem akurat drapierten Stück Frottee in waagrechter Position zu lagern.

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Ich sage: Ach, ihr durchgedehnten Horizontalakrobaten habt ja überhaupt keine Ahnung, was Sehnenverkürzung, Bandscheibenkorrosion und ein gewisses Komfortbedürfnis, das sich so über die Jahre reinschleimt, in einem fortgeschrittenen Schwimmbadbesuchskörper anrichten. Wie man sich auch dreht und wendet – es ist dermaßen unbequem und vor allem für jeglichen halbwegs sinnvollen Zeitvertreib ungeeignet, dass man nur mehr auf den gnadenbringenden Hitzekollaps hoffen kann. Allen, die versucht sind, jetzt eine Empfehlung in Richtung, ja, soll er sich halt einen Klappsessel und einen Sonnenschirm mitnehmen, auszusprechen, möchte ich umgehend das erste K der Drei-K-Regel in Erinnerung rufen. Es gibt keinen fucking Parkplatz!

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Apropos Platz: Dieser wird nun auch in dieser Kolumne knapp, weshalb ich Sie an der Stelle in einen schönen Sommer entlassen muss, ohne zu erwähnen, wie sehr ich außerdem Sonnencreme und dieses dauernde Herumgeschmiere hasse. Na ja, jetzt hat es ja doch noch geklappt. 

 

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