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DEZEMBER 2017

Essay

Besuchswarnung

Noch mal was zum Essen: Achtung vor J. T.’s Splashy Steak Hut!

I

m Gegensatz zu Ibu Hadis Schafsaugen von letzter Ausgabe muss im Falle von J. T.’s Splashy Steak Hut in Fort Lauderdale (USA) an dieser Stelle unbedingt eine Besuchswarnung ergehen. Jason T. Angus, der Inhaber dieser gastronomischen Entgleisung, kocht nämlich mit Eigenfett, das er sich bei Bedarf aus seinem voluminösen Bauch entnimmt.

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Die verehrte Leserin, der geneigte Leser kann sicher nachvollziehen, welche Gefühle mich zu übermannen drohten, als ich vor ein paar Jahren, eben bei der zweiten Hälfte meines wunderbar medium gebratenen Steaks angelangt, davon erfuhr. Sämtliche mentalen Kräfte waren erforderlich, um dem heftigen Würge- und Fluchtreflex zu widerstehen. Ich legte das Besteck beiseite und wischte mir mit der Serviette den kalten Schweiß von der Stirn, der sich binnen weniger Sekunden gebildet hatte.

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Waitress Cindy, die mir die hauseigene Zubereitungsart auf meine Frage hin, worauf denn die außerordentlich zarte Konsistenz des Fleisches zurückzuführen sei, freimütig erläutert hatte, verzog keine Miene und wartete geduldig, bis ich weitgehend wiederhergestellt war. „Darf’s noch was sein, Sir?“, säuselte sie schließlich. Ich bestellte einen doppelten Bourbon, den ich gleichermaßen zur Desinfektion wie Beruhigung einzusetzen gedachte, und fragte Cindy, ob es möglich sei, ein paar Worte mit dem Chef zu wechseln.

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Die Kellnerin verstaute den Schreibblock in ihrer Schürze und trippelte in Richtung Küche, wo sie hinter einer Flügeltür mit zwei großen kreisrunden Scheiben verschwand. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis sich die Tür wieder öffnete und Cindy, gefolgt von einem massigen Mittvierziger, auf meinen Tisch zusteuerte. „J. T. Angus, Sie wünschen?“, fragte dieser, nachdem er die Kellnerin mit einer nachlässigen Handbewegung weggeschickt hatte.

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Ich bedankte mich dafür, dass man meinem Wunsch so rasch nachgekommen sei. Zu mehr kam ich jedoch nicht, denn Angus fiel mir barsch ins Wort.

 

Ich wischte mir den Kalten schweiß von der stirn.

 

Is was mit dem Fleisch nich in Ordnung?“, grunzte er. Ganz im Gegenteil, entgegnete ich freundlich, das Steak schmecke hervorragend, allein womit es in der Pfanne gebraten werde, sei – bei aller Aufgeschlossenheit für innovative Garmethoden – doch reichlich unorthodox. Angus war das Misstrauen nach wie vor anzusehen, doch glaubte ich, eine gewisse Genugtuung in seinen Zügen erkennen zu können. „Da hat Cindy wohl mal wieder ihr Plappermaul nich halten könn’n.“ Er schüttelte den Kopf und schnaubte dabei wie eine Dampflok. Als sein riesiger Schädel wieder zur Ruhe gefunden hatte, fuhr Angus in geschäftsmäßigem Ton fort: „Das mit dem Fett is eine selbst entwickelte Methode. Einmal is mir das Öl ausgegangen, da hab’ ich an mein’m Bauch hinuntergesehen und mir gedacht: Schön blöd, Fett is eigentlich das Einzige, was du immer dabei hast.“

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In einer Serie waghalsiger Versuche, so erklärte mir der Eigenfettkoch, habe er daraufhin eine Apparatur entwickelt, mit deren Hilfe er in der Lage sei, Fett aus seinem gewaltigen Wanst zu beziehen. Bei den zentralen Bestandteilen dieser bahnbrechenden Ingenieursleistung handelt es sich, sofern ich das richtig verstanden habe, um einen gebrauchten Sauger vom Zahnarzt, einen Industriestaubsauger sowie das eigenhändig in die Bauchdecke implantierte Ventil einer Luftmatratze. Immer wenn Angus etwas Fett benötigt, zupft er den Stöpsel aus dem Plastikventil, steckt den mit Fettlöser aus dem Baumarkt besprühten Sauger in das Loch, schaltet den Staubsauger ein und befördert die gewünschte Menge heraus.

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„Für den Fall, dass Sie mit mir ins Geschäft kommen wollen, sollten Sie sich beeilen. McDonald’s hat Interesse“, sagte Jason T. Angus am Ende seiner Ausführungen, die mir willkommener Anlass waren, J. T.’s Splashy Steak Hut überstürzt zu verlassen. Ja, und auf dieselbe Art erlaube ich mir, auch mit diesem Bericht zu verfah.

 

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