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AUGUST 2016

Essay

Hautfarben

Oder: Tattoos sind der beste Schutz vor dem Viersaucenfiasko

B

ei allen Strebern, die sich auf den angekündigten Kurs „Financial Reporting and Control” gefreut haben, muss ich mich entschuldigen: In unserer internationalen, karrierebefördernden Summer School wollen wir uns heute doch mit einem anderen, aber zweifellos ebenfalls -superrelevanten Thema beschäftigen: Tätowierungen. Und bevor Sie jetzt zum Konsumentenschutz oder einem befreundeten Putsch-isten rennen: Keine Sorge, Sie bekommen Ihren MBA natürlich trotzdem zugesandt. Per WhatsApp oder so.

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Eines gleich vorweg: Ich finde Tätowierungen großartig. Wenn Leute ihr ganzes Geld für Tattoos ausgeben, kaufen sie kein halbautomatisches Gewehr und fahren auch nicht zum Küken-Fußball in die Mongolei, das ja ein unfassbar blutiges Gemetzel ist. Und wer sich gerade beim Tätowierer die letzten zwei Quadratzentimeter Oberschenkel kolorieren lässt, verursacht mit höchster Wahrscheinlichkeit zeitgleich keinen Auffahrunfall und stellt sich bei McDonald’s nicht vor mir verdammte fünf Minuten lang einen durchgeknallten Individualburger mit Triplegurke und Viersaucenfiasko zusammen. Soweit also alles super.

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Ich selbst pflege trotzdem ein distanziertes Verhältnis zur Tätowierung. Grund: Es gibt Menschen, die einen Unterarm als den richtigen Ort für Botschaften betrachten. Und es gibt welche, die nicht. Die werden allerdings immer weniger. Unlängst war den Medien zu entnehmen, dass 25 Prozent der Österreicher tätowiert sind. Wenngleich nicht näher präzisiert wurde, ob es sich hier um Stückzahlen oder die österreichische Gesamtkörperfläche handelt, ist das unbestreitbar eine enorme Quote. Gut möglich, dass sich unter den Lesern von 6020er Stadtblatt, die ja als sehr fortschrittlich und sonst auch lässig gelten, sogar noch mehr Freunde der Hautbenadelung finden.

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Jedenfalls: Eine von mir ohne Rücksicht auf das eigene Wohlbefinden vorgenommene Feldstudie am subalpinen Badesee hat die Statistik neulich bestätigt. Tätowierte, wohin man blickt. Während man am Kiosk auf den Santander-Bank-Expresskredit für die drei Magnum Mandel wartet, macht man sich als Nicht-Tätowierter direkt verdächtig.

 

Ist er etwa ein altmodischer, verklemmter Spießer?

 

Ist der da vorn übertrieben schmerzempfindlich, glaubt man die kunstpigmentierten Eisliebhaber unverhohlen tuscheln zu hören. Ist er etwa ein altmodischer, verklemmter Spießer? Oder hat der zynische Sack am Ende nichts, was ihm wichtig genug ist, um auf seinem heruntergewirtschafteten Zweitewahlleib verewigt zu werden?

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Die Antwort lautet dreimal Ja. Weil sofern ich das richtig verstanden habe, wohnt Tattoos ja immer eine ganz besondere Bedeutung inne. Das Gummibärchen mit Revolver an der Schläfe prangt nicht nur so zum Spaß am Schulterblatt. Auch die Schriftzeichen „Acht Schätze mit scharf”, die für das nicht-chinesische Auge in seiner ganzen Ovalität ja in der Tat eine frappierende Ähnlichkeit mit „Innige Liebe ewig” aufweisen, stehen für die ganz großen Gefühle und vor allem die nicht minder monumentale Symbolik. Aber gerade in der bin ich wirklich ganz, ganz schlecht.

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Nun ja, es gibt schon so Sachen. Der PIN-Code meiner Bankomatkarte zum Beispiel hat durchaus eine Bedeutung für mich. Oder auch der Bär, der – wie Sie als versierte Anhänger des Symbolismus sicherlich wissen – für ein Wildtier mit Fell steht. Aber will ich mir den Kack deshalb auf die Wampe stechen lassen? Um Gotteswillen, ich bitte Sie.

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Wenn überhaupt käme, wenn ich es mir recht überlege, sowieso nur ein wahnsinnig kluger Spruch in Frage. Am Oberarm vielleicht. Nicht zu lang dürfte er sein, es ist da nicht besonders viel Platz bei mir, dafür aber extrem individuell. So was wie: 1:0 für Erdgas. Nur weniger euphorisch.

 

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