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APRIL 2018

Essay

Nr. 222

Oder: Wie kommst du bloß auf diese Ideen?

I

mmer wieder fragen mich Leute, wobei sie dabei beherzt den Kopf schütteln und sich nicht selten eines glucksenden Untertons befleißigen: Wie kommst du bloß auf diese Ideen? Zuweilen wird der Ausdruck des Erstaunens auch in eine formschöne Aussageelipse gepackt, die ich hier statistisch gemittelt wie folgt wiedergeben möchte: Also was dir immer einfällt. Mein luzider Geist sagt mir, dass diese headbangenden Frohnaturen mit dem Klamauk­timbre Leser sein müssen. Weil: Meine Beiträge zu Einkommensgerechtigkeit oder Superstringtheorie werden es ja nicht gewesen sein, die sie zur Eröffnung dieser einschlägigen Konversation veranlassen. Nein, es müssen schon zum Behufe der Belustigung gebackene Gute-Laune-Törtchen sein, wie sie insbesondere in der kleinen Humorkonfiserie hier feilgeboten werden

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Die kontaktfreudigen Leser wissen freilich nicht, in welche Gefahr sie sich mit ihrem unbekümmerten Vorstoß begeben. Ja, der Autor mag zwar wie ein verkaterter Biologielehrer im Endstadium aus­sehen, aber in Wahrheit ist er brandgefährlich – besonders wenn er von sich in der dritten Person spricht, was bekanntlich ein Zeichen für fortgeschrittene Psychopathie ist. Oft kommt es zu Fluchtversuchen, immer wieder gar zu Tränen. Eineinhalbstündige Vorträge über die Ideengenese zu dieser oder jener Kolumne sind nämlich keine Seltenheit, wenngleich auf Grund eines gewissen Hangs zur Ausschweifung dabei schon einmal eine Stunde und 28 Minuten lang über die Effizienz im Spiel des alternden Roger Federers referiert werden kann, um dann das eigentliche Thema in den restlichen zwei Minuten vor einem fast bis zur totalen Erschöpfung ermatteten Publikum in Form von unzusammenhängendem Gestammel zu behandeln – wobei ich sogar durchaus einzuräumen gewillt bin, dass das Gestammel nicht besser wird, wenn sich doch noch irgendwelche Zusammenhänge herstellen lassen.

Weit über 90.000 Gehirnzellen sind noch immer tätig.

Jedenfalls: Ich weiß ja überhaupt nicht, wie ich bloß auf diese Ideen komme. Sie sind einfach da, und wenn es die Zeit zulässt, lass ich sie raus. Ein Kreativprozess ist ja wahnsinnig komplex, das können Sie ruhig auch einmal Ihren Hausarzt fragen, da spielt der präfrontale Cortex mit dem Dings zusammen und die linke und die rechte Gehirnhälfte treffen sich auf einen Kaffee im limbischen System und so weiter. Abzüglich sämtlicher Schäden, die Gehirnerschütterungen, Trinkgelage und zwei Romane von Donna Leon hinterlassen haben, sind in meinem Schädel sicher noch immer weit über 90.000 Gehirnzellen tätig. Und die schustern dann halt die Ideen zu­sammen.

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Ich schreibe ja eigentlich nur, um Leser für ein paar Augenblicke von ihrem Elend abzulenken, und dafür ist mir jedes Mittel recht. So, jetzt ist es raus. Lohn der Mühe sind dann Reaktionen wie: Eigentlich wollte ich mich heute Nachmittag mit einer Sense durch den Kleintierzoo arbeiten, aber dann hab ich Ihren Beitrag gelesen und gedenke nun stattdessen einen Anschlag auf Ihre Person zu verüben. Oder: Gäbe es doch nur mehr Menschen wie Sie auf der Welt, Herr Park, ich hätte schon längst Karriere gemacht!

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Man muss sagen: Wenn es um Vermittlung von Inspiration und kreativen Spitzenleistungen geht, sind die Maler allen anderen Künsten weit voraus. Der Erzählreichtum verhält sich dabei indirekt proportional zum Abstraktionsgrad: Umso weniger man erkennt, desto mehr wird gelabert. Etwas Erklärungsbedürftiges schaffen, das ist wahre Kunst.

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Mir schwebt ja seit längerem eine Serie vor, in der ich die wechselvolle Beziehung zwischen österreichischen Psychoanalytikern und landestypischen Beilagen in äußerster sprachlicher Verdichtung aufarbeite. Mehr als Rotkraut Perner ist mir aber noch nicht eingefallen.

 

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