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SEPTEMBER 2015

Essay

Shoppingwahn

Meine Therapeutin hat mir geraten, alles aufzuschreiben. Nun also.

W

enn Sie mich fragen, lässt sich die ganze Sache recht einfach zusammenfassen: Ich hasse einkaufen. Soll heißen: Ich. Hasse. Es.

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Jetzt nicht so auf: Du,alsomanchmalgehtmirdas­ShoppenschonganzschönaufdieNerven,meinlieberScholli. Stichwort: Primark-Erschöpfungssyndrom. Sondern mehr auf: grfxxth@gt!?! Stichwort: die totale Ablehnung, das volle Zurückweisungsprogramm.  

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Einkaufen – nein, danke! Was soll ich sagen? Manche Leute hassen Ausländer. Ich hasse Einkaufen. Man kann sagen: Mein Shopping-Karma ist das eines Skinheads. Mit Pitbull.

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Ich kann Ihnen nicht einmal sagen, was ich am schlimmsten finde. Weil alles so schrecklich ist. Aber arg ist zum Beispiel ganz bestimmt der Baumarkt.

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Baumarkt heißt durch endlose Gänge irren auf der Suche nach irgendeinem scheiß Schraufen. Baumarkt heißt sich von einer nur Auserwählten erscheinenden Mitarbeiterepiphanie beraten lassen. Mit Betonung auf raten. KannmandasauchimBadverwenden? BeiderInformationwarichschon. Schade,aber danketrotzdemfürdie„Auskunft“. Baumarkt heißt Todessehnsucht. Selbsttackerungsphantasien.

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Dann sicher auch: Ikea. Die blau-gelbe Hölle. Ikea ist ja in Wahrheit auch nur die Fortsetzung von OBI mit anderen Mitteln. Oben die Vorhölle, unten dann das Teelicht-Servietten-Inferno. Und ganz viel Gier in der Luft. Ichmussjetztunbedingtirgendetwaskaufen. WeilimWohnzimmernochzweiQuadratzentimeterfreisind. Undweilallessoscheißgünstigundeventuellpraktischist. Ein einziges Ja-warum-denn-nicht? und Kost-ja-nicht-viel.

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Ganz schlimm auch: Bekleidung – egal wo, egal wann. Selbsterkenntnis in der Anprobekabine: Was für eine abgefuckte, bizarr schwitzende Witzfigur du bist/hast – such‘s dir aus.

Baumarkt heißt durch endlose Gänge irren auf der Suche nach irgend­einem scheiß Schraufen.

 

Es mangelt an allem: Selbstbewusstsein, Sauerstoff, Lebenswillen. Und das zu Recht. Ja,klarnehmeichdiezuengenJeans,da­mit­ichdannextranochmalherfahrenmuss.

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Apropos zu enge Hose: Supermärkte. Die pure Quälerei auch das. Heuteist1plus1gratis,minus25­Pro­zentaufTiernahrung,plusdreiPunktefürdasStofftier­oderdasMesserset. Hurra,ichwerdverrückt. Ichwerdjetztdannechtverrückt. Echt jetzt.

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Dann halt online, sagen Sie? Amazolando und so weiter. Das ist doch derselbe Kack. Also,wennan­dereKundendaskauften,dann­kaufichdasnatürlichauch. Toll,nur19,90plus3-Megabyte­­persönlicheDaten.

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Nein, wissen Sie was, liebe Freunde von der Selbsthilfegruppe? Ich träume von so einem Mangelwirtschaftssystem. Kaputt, aber sympathisch. Kompletter Ostblock, nur in Farbe.

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Da kommt dann hin und wieder ein Paket mit einem netten Schreiben: „Sehr geehrter Herr Park, anbei finden Sie Ihre Normhose 17b, drei Wende-Pullover (Modell 336) und den Allzweckschuh 1984. Krawatte ist leider aus. Viel Freude damit wünscht Ihre Bürgermeisterin.“

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Ich träume von Kartoffelgeschäften und Eierhandlungen, wo man mit den Worten „Wie viele?“ begrüßt wird, weil es einfach nicht mehr zu sagen gibt. Ich träume von automatischen Durchsagen im Mediamarkt: „Sehr geehrte Kunden, sind Sie sicher, dass Sie den ganzen Scheiß hier wirklich brauchen?“ Ich träume vom Ende des Dauer-, Hyper- und Hardcorekonsums. Ja, ich träume von einer besseren Welt, die mir aus irgendwelchen anderen Gründen total auf den Sack geht.

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Aber meistens bringe ich halt nur den Müll runter.

 

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