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APRIL 2015

Essay

Odor der Verwesung

Die Kombo hat gerade noch gefehlt: die neue Apple Watch und aluminiumfreie Deos.

N

ur für den Fall, dass Sie es noch nicht wussten: Zukunft ist für alle da. Unser heutiges Thema, liebe Utopisten, hoch verehrte Apokalyptiker, lautet deshalb: Wearables, sprich Smart Watches, sprich Apple Watch.

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Nur für den Fall, dass Sie es noch nicht wussten: Apple Watch, das ist eine neuartige Armbanduhr, die man nur alle 18 Stunden aufladen muss. Vielleicht geht es Ihnen jetzt wie mir, der seit 25 Jahren keine Uhr mehr an seine arthritischen Handgelenke gelassen hat, und Sie sagen: 18 Stunden – huh, das klingt jetzt nicht besonders berauschend. Aber wissen Sie was? Genau den gleichen Kack haben Sie doch bestimmt auch 2007 gesagt (Wer braucht ein Telefon ohne Tasten, Hertha?). Und 2010 (Wer braucht einen Laptop ohne Tasten, Hertha?). Wenn Apple also jetzt eine Uhr mit überschaubaren Betriebszeiten auf den Markt bringt, dann wird das schon seine Richtigkeit haben, jawohl.

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Ich für meinen Teil bin jedenfalls begeistert. Aber mit Augenmaß. Soll heißen: An öffentlichen Orten erwarte ich schon schwere Zeiten auf uns zurumpeln. Stichwort: Hertha, hallo, … Hertha? Du, ich bin gerade in der …, ja, ich bin in der Straßenbahn. Hertha? Vermehrtes Konferieren in Knight-Rider-Manier wird zu einem drastischen Anstieg von Magen-geschwüren innerhalb der Apple-Watch-losen Mehrheitsgesellschaft führen, da können Sie sich sicher sein. Aber das interessiert natürlich niemanden, schon gar nicht die WHO the fuck. Die beschäftigt sich lieber mit Aluminium und Achseln oder so.

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Nur für den Fall, dass Sie es noch nicht wussten: Ein herkömmliches Deo ist Selbstmord auf Raten. Weil: Aus den Achseln quillt sozusagen nicht nur wahnsinnig viel Ekelhaftes heraus, es gehen auch so Giftstoffe hinein. Man sprayt sich ganz locker-flockig zu Tode. Die Hinterbliebenen sagen dann: Wir behalten unseren lieben Verstorbenen und seinen nicht-vorhandenen Achselgeruch in angenehmer Erinnerung. Man selbst ist tot und kann sich über das Kompliment gar nicht so richtig freuen. Die Alternativen sind rar gesät, um nicht zu sagen: sie sind gar keine. Alumi-niumfreie Deodorants haben in etwa den Wirkungsgrad von Margarine, vorausgesetzt sie werden äußerst akkurat aufgetragen. 

Wir behalten ihn und seinen nicht-vorhandenen Achselgeruch in ange- nehmer Erinnerung.

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Jedenfalls: Da sitzt dann also jemand neben dir in der Straßenbahn, plärrt in seine Apple Watch und von unter der Achsel wabert der Odor der Verwesung herüber. Da will man doch das Haus gar nicht mehr verlassen. Die gute Nachricht ist: Braucht man auch gar nicht. Demnächst muss man nur mehr wegen Osterspaziergang oder Raubüberfällen raus. Internet der Dinge ist das Stichwort. Internet der Dinge heißt: Endlich ist die eklige Barbecue-Sauce fertig, da bestellt der Arsch-Kühlschrank schon wieder eine neue. Oder: Wenn Vati um elf noch nicht zu Hause ist, drehen die bei Google schon mal die Fußbodenheizung rauf, damit er es im Vorraum schön gemütlich hat.

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Was mich aber in der Nacht wirklich nicht schlafen lässt, ist etwas viel Beängstigenderes: Was, wenn sich unsere freundlichen Helferlein verselbständigen? Jetzt wird es technisch anspruchsvoll, aber stellen Sie sich vor: Irgendwer gibt zum Beispiel beim Google-Übersetzer „Ehevertrag“ ein und es kommt zu einer Fehlzündung oder in der Quantenmechanik bricht ein Quark ab oder die Wärmepumpe spinnt, und mit einem Mal entsteht so etwas wie die Mutation eines Algorithmusses, bösartig und supergefährlich.

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Meine Psychiaterin sagt: Aber Computer sind ja auch nur von Menschen gemacht. Richtig, sage ich, genau das ist das Problem.    

       

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