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JULI 2019

Essay

Spartaku's Haarspalterei

Obacht bei kreativen Namen

W

as hat die menschliche Kreativität nicht schon Großartiges hervorgebracht! Sinfonien, Gemälde, Romane. Toll auch: elektrische Zahnbürsten, die selbstständig neue Bürstenköpfe nachbestellen und einem bei Bedarf auf Instagram folgen. Zugleich ist der menschliche Geist aber auch verantwortlich für Friseursalons mit Namen wie „Vorhair – Nachhair“, „Haarmonie“ oder „Scheitelpunkt“.

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Hier, muss man sagen, zeigt sich die Kreativität unserer Spezies von ihrer hässlichsten Seite. Warum ausgerechnet die haarschneidende Zunft, die sich einst erfrischend frei von jeglicher Mehrdeutigkeit einfach als „Herrenfriseur Cipek“ zu erkennen gab, diesen fatalen Hang zum Sprachmissbrauch aufweist, muss an der Stelle unbeantwortet bleiben.

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Nur so viel: Ich vermute einmal, der hoffnungsfrohe Jungcoiffeur von heute trainiert in der Freizeit nicht mehr wie verrückt für die Friseur-Weltmeisterschaften in Aserbaidschan. Lieber tüftelt er mit Freunden an der Benamselung seines Salons, den er in der Ladenzeile neben der Raika aufzusperren gedenkt.

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Denn das weiß heute ja schon jeder Vorschüler: Die Schlacht um den Kunden wird nicht mehr mit Qualität gewonnen, sondern dank der Kraft der Marke. Nach sieben Runden Gin Tonic in entspannter Atmosphäre, wie sie nur rurale Hipsterlokale („wunder.bar“) mit ihrer gekonnten Mischung aus Konditorei und Landdisko anzubieten im Stande sind, ist der bittere Endpunkt schließlich erreicht. „Haarspalterei“ wahrscheinlich.

Hier zeigt sich die Kreativität von ihrer Hässlichsten Seite.

 

Man kann jeden Firmengründer nur warnen: Obacht bei kreativen Namen! Es ist, wie sein Kind Spartakus zu nennen. Die erste Zeit fühlt es sich wie eine wahnsinnig tolle Idee an. Aber wenn dann die Wirkung des Alkohols nachlässt, bereut man es wie das Ente-süß-sauer-Tattoo aus dem Türkeiurlaub 2013.Einen großen Gefallen tut sich und der Welt auch, wer um nomenklatorische Modeerscheinungen einen gewaltigen Bogen macht. Manufakturen zum Beispiel. Gibt es mittlerweile ja so viele, dass man sich in präkapitalistische Zeiten zurückversetzt fühlt. Und was da alles in liebevoller Handarbeit zu wahren Kleinodien zusammengeschustert und -gedrechselt wird. Texte, Sprache, PR, Apps, Fotos. Ähnlich beliebt sind auch Firmenbezeichnungen, die auf „-erei“ enden und sich wohl mit der Bodenständigkeit einer gut laufenden Metzgerei, wo der Chef noch selbst tötet, zu schmücken trachten. Texterei, Beraterei, Bikinizonenentwachserei und so weiter.

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Allerdings gibt es auch einen Spezialfall, den ich in diesem Zusammenhang ausdrücklich ausnehmen möchte: den kreativen Umgang mit Apostrophen. Das geschickt falsch gesetzte Häkchen ist ein verlässlicher Qualitätsindikator. In Imbissbuden wie „Kurti’s Treff“ können Sie darauf vertrauen, dass man sich nicht in Nebensächlichkeiten wie der korrekten Interpunktion verliert, sondern voll auf Wurst und Frittiertes konzentriert ist. Und so soll es ja auch sein.

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Kündigt ein Plakat eine Festivität mit diversen „DJ`s“ an (man beachte hier bitte auch noch die Verwendung des Akzentzeichens anstelle des Apostrophes), sind beste Partylaune und mindestens einfach geschiedene Damen und Herren mit Affinität für Diskofox und ähnlich verzweifelte Sexualpartner garantiert.

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Für die Beurteilung von „Johnny’s Tattoo’s“ fehlt mir leider die Erfahrung.

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