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JÄNNER 2020

Essay

Nullzins

Schmuck in den Tennissocken ist auch nicht die Lösung.

M

ir wäre vor einigen Wochen am Weg in den Westflügel ja fast das Fabergé-Ei auf den Marmor gefallen, als ich die furchtbare Nachricht erfuhr: Der Tochter von Bernie Ecclestone haben sie doch glatt Schmuck im Wert von 60 Millionen Flocken aus dem Londoner Reihenhäuschen gestohlen.

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Zum Glück für die junge Familie ist alles mit der Haushalt gedeckt! Damit bewahrheitet sich aber wieder einmal, was ich schon seit Jahrzehnten predige: Geschmeide und sonstiger Zierrat gehören einfach nicht in die Strumpfschublade. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schmerzhaft ein im Tennis-socken eingetretener 24-Karäter sein kann. Und wenn das Cartier-Armband ganz hinten in einen abseitigen Spalt zwischen Schubladenführung und Pressspanplatte rutscht, kann es leicht passieren, dass der Ikea-Werkskundendienst anrücken muss. Und das kostet!

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Aber was soll die gute Frau sonst machen, als das Vermögen in Sachwerten zu veranlagen? Du bekommst ja für dein Geld nichts mehr auf der Bank. Die Zeiten, als man fünf Mille auf ein Sparbuch mit 3-Jahres-Bindung legen konnte und dann die siebendreiviertel Prozent wie eine Hofer-Kassiererin vorm verlängerten Wochenende arbeiten ließ, sind vorbei. Heute kannst du froh sein, wenn sie deine Kohle noch gratis nehmen. Stichwort: Negativzinsen.

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Wenn Sie mich fragen, aber mich fragt ja niemand, wird es sowieso bald sogar umgekehrte Überziehungsrahmen am Girokonto geben. Die ersten 500 Euro sind kostenlos, darüber muss man Sollzinsen berappen. Besitzer von prall bebargeldeten Sport-taschen verstehen jetzt die Aufregung wahrscheinlich nicht, aber alle anderen erkennen die Problematik. Experten plärren in Sachen Veranlagung deshalb nur mehr drei Worte: Aktien, Aktien, Aktien!

Zum Glück ist alles mit der Haushalt gedeckt!

 

Vorteil: Hier bekommt man noch was für seine Kohle – vielleicht. Problem: Es gibt wahnsinnig viele von den Dingern. Und leider hat heute ja nicht mehr jeder einen kompetenten Bankberater mit HAK-Abschluss zur Hand, der im Gespräch mit dem Kunden fast fehlerfrei die neuesten Finanztipps aus der Zentrale ablesen kann. Es ist also eine beherzte Portion Eigeninitiative gefragt. Ich sage mal so – interessant sind sicher Zukunftstechnologien: Künstliche Intelligenz, Block Chain, was Chinesisches. Oder Sachen, die die Menschen lieben: Marihuana, Netflix, Saugroboter.

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Sehr gefragt sind nach wie vor auch Immobilien. Weil man damit ja praktisch nichts falsch machen kann. Bitte, eine überteuerte Garconnière neben der Tierkörperverwertung Prutz-West verkauft sich auch in fünf Jahren wie von selbst. Keine Frage: Fortgeschrittene Anleger gehen nicht den Weg über die Finanzmärkte, sondern investieren direkt. Aber nicht in langweilige Schasbuden in Gewerbegebietsnähe oder innenstadtnahe Garagenplätze, sondern in echte Business-Ideen. Stichwort: das nächste Facebook.

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In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, auf eine großartige Investitionsgelegenheit hinzuweisen. Wenn Sie irgendwo ein Viertelmilliönchen herumliegen haben oder auch nur drei gültige Lebensmittelgutscheine, könnten Sie ja bei meinem Start-up pureBag einsteigen. Ja, genau, wir sind die mit dem staubsaugerlosen Beutel.

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Und weil wir gerade bei Werbung sind: Attraktive Schöngeister abonnieren derzeit wie verrückt meinen kostenlosen wöchentlichen Newsletter für Niedrigzinsgeschädigte beiderlei Geschlechts. Geht auch für Sie ganz einfach unter jf-park.com.

 

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