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OKTOBER 2020

Essay

Noiskänzeling

Nicht nur Teslas brauchen Akku.

T

eslafahrer können aufatmen. Die Angst, krisenbedingt bald in einer Prekariats-karre von Mercedes oder BMW in die Kanzlei brettern zu müssen, dürfte sich erübrigt haben. Auch muss niemand sich Sorgen machen, dass die Nanny den Nachwuchs beim Abholen vom Klimakindergarten wieder mit einem Hardcore-Verbrennungs-Sharan blamiert. Grund: Dank Elon Musk und halb Asien sollen Batterien schon in absehbarer Zeit deutlich günstiger produziert werden können als bislang. Heißt: Irgendein Tesla bleibt auch bei massivem Umsatzrückgang oder bis 2027 verlängerter Kurzarbeit leistbar.

 

Man muss sagen: Der Weg in ein neues Energiezeitalter ist damit ja wohl echt geebnet. Was man aber auch sagen muss: Es wird auch Zeit langsam.
Ich für meinen Teil fahre ja nicht Tesla, habe aber kabellose Kopfhörer mit Noiskänzeling. Die laufen natürlich auch nicht mit Super bleifrei. Wenn jetzt zum Beispiel in unmittelbarer Nähe sechs Stück Kind ihren schrecklichen Neigungen nachgehen, während ich mich auf ein von Sir Kenneth Branagh 1986 vorgetragenes Shakespeare-Sonett oder ein Katzenvideo konzentrieren will, ist der Energiebedarf für die Geräuschunterdrückung brutal. Immerhin: Das Katzenvideo kommt meist ohne Sir Kenneth Branagh aus.

 


Unlängst haben uns die Stadtwerke ein SWAT-Team nach Hause geschickt. Akuter Coronaparty-Verdacht. Wegen eines Stromverbrauchs wie bei einem 1.000-Leute-Rave im städtischen Naherholungsgebiet. Dabei wollte ich nur die wichtigsten Geräte für einen kleinen Ausflug in die Natur aufladen.
Das Ärgste: Die Powerbank war da ja nicht einmal dabei! Die hatte sich ein befreundeter Unterwäschefabrikant für seine Fertigungshalle in der Türkei ausgeliehen. Heißt: Auch ich brauche die eine oder andere Kilowattstunde Akkuleistung und begrüße aus diesem Grund jede Innovation in der Batterietechnik.

die Stadt­werke haben uns ein SWAT-Team nach Hause geschickt.

Neulich habe ich deshalb bei den Kollegen vom Spiegel sogar eine dieser Infografiken eingehend studiert, die einen Sachverhalt so anschaulich erklären, dass ihn selbst der letzte Eierbär versteht. Ich kann Ihnen also sagen, eine Batterie funktioniert insofern, als Ionen irgendwo durchfließen, Elek-tronen aber nicht. Vielleicht sind es auch Elektroden, bitte nageln Sie mich jetzt nicht fest. Klar ist: Leider wird in Akkus noch immer wahnsinnig viel Kongo verwendet, das in der Dominikanischen Republik Kobalt sehr häufig vorkommt. 

 

 

Jedenfalls. Die Zukunft liegt in alternativen Materialien. Stichwort: Feststoffbatterie. Ich frage mich, ob man nicht auch mit vorwiegend festkochenden Kartoffeln was in Richtung Bioakku anstarten könnte. Stichwort: Zwei Nägel rein und let the elektrochemischen Prozess do its magic. Genug gäbe es ja davon. Wenn Sie mehlige Erdäpfel aus dem Supermarkt brauchen, sollten Sie sich eine Jause einpacken, denn die Suche kann dauern. 

 


Wahrscheinlich liegt es an jahreszeitbedingter Sentimentalität, aber jetzt fällt mir ein, was man mit Kartoffeln auch noch anstellen kann: Zeugs bedrucken! Einfach ein großes Exemplar halbieren, Symbole oder Buchstaben rausschneiden, Farbe drauf, und schon zaubert man undefinierbare Flecken auf Papier, Jutesäcke oder erst ein Mal getragene Ralph-Lauren-Kinderpolos. Sollten Sie ausprobieren.
Apropos versuchen: Letzte Ausgabe habe ich nobel geschwiegen, aber diesmal rate ich umso nachdrücklicher dazu, meinen kostenlosen wöchentlichen Newsletter mit vorwiegend lauwarmen Erkenntnissen zu abonnieren. Geht ganz einfach unter jf-park.com. 

 

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