as Jahr 1967: Der 22-jährige Rainer Werner Fassbinder entert die Bühne des antiteaters in München und übernimmt ungebeten die Inszenierung des gerade laufenden Stücks. Damals ahnt wohl niemand der Anwesenden, gerade den später bedeutendsten Filmemacher Deutschlands bei seinem „Frühwerk“ beobachtet zu haben.
Rasch schart Rainer Werner Fassbinder Schauspielerinnen, Selbstdarsteller und Liebhaber um sich, die später als der „Fassbinder-Clan“ ebenso wie ihr Clanführer Filmgeschichte schreiben werden. Manisch und zunehmend drogenabhängig dreht Fassbinder einen Film nach dem anderen und bricht dabei immer wieder mit gängigen Regeln. Dafür wird er auf den nationalen und internationalen Filmfestivals zunächst ausgebuht, um später ebendort als Liebkind des Avantgardekinos ausgezeichnet zu werden.
Die Arbeitswut, mit der Fassbinder bis zu sieben Filme pro Jahr dreht, hat Folgen: Privat enden seine Beziehungen immer wieder im Drama, beruflich schafft er zwar ein Werk von mehr als 40 Spielfilmen, stirbt aber 1982 im Alter von nur 37 Jahren am unkontrollierten Drogenkonsum.
Zu diesem Zeitpunkt ist Fassbinder längst international be- und geachteter Protagonist eines „Neuen Deutschen Kinos“ und genießt als Regisseur weltweite Reputation.
„Enfant Terrible“, Biopic, Theater im Film
Regie: Oskar Roehler
Mit: Oliver Masucci,
Katja Riemann,
Hary Prinz, Eva Mattes
Dauer: 134 min
Liebe und Wahn.
In „Enfant Terrible” verwendet Regisseur Oskar Roehler ungewöhnliche filmische Mittel, um das Leben Fassbinders greifbar zu machen: Er inszeniert seinen Film wie ein Theaterstück mit reduzierter Bühnenausstattung und greller Farb- und Lichtdramaturgie. In sprunghaften Episoden greift Roehler Zäsuren aus dem Leben Fassbinders auf und versucht dabei, dessen menschlicher Bandbreite gerecht zu werden: dem genialen Regisseur, dem Liebesuchenden, dem manischen Choleriker. Dabei kann sich Roehler nicht nur auf die eigene, gekonnte Regiearbeit verlassen, sondern vor allem auch auf Oliver Masucci als Rainer Werner Fassbinder: Masucci spielt den Filmemacher nicht nur, er lebt ihn und fordert von seinem Publikum genau das, was auch Fassbinder selbst von seiner Umgebung gefordert hat: ihn trotz persönlicher Schwächen für seine Arbeit und seine Leidenschaft zum Kino und zu den Menschen zu schätzen.
So bleibt „Enfant Terrible” schlussendlich ein gut gemachter Film vor allem für Theaterliebhaber. Wer das Theatergenre als künstlerisch zu beschränkt ansieht – wie Fassbinder teilweise selbst –, möge sich anderswo dem Phänomen Fassbinder annähern.