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DEZEMBER 2017

Quo vadis, Innsbruck?

Christine Oppitz-Plörer spricht im Interview darüber, warum die hohen
Ausgaben der Stadt in den letzten Jahren legitim sind, was Innsbruck für sie ausmacht und warum das Nächtigungs- und Alkoholverbot in ihren Augen sozial sind.

Foto: Axel Springer

„Alles zuzulassen, das ist für mich keine soziale Haltung.“

Christine Oppitz-Plörer, Bürgermeisterin
6020:

Wie schätzen Sie die Ergebnisse der Nationalratswahlen ein? Macht Ihnen Georg Willi nun weniger und Franz Xaver Gruber dafür mehr Kopfzerbrechen? Christine Oppitz-­Plörer: Hier muss man mehrere Dinge auseinanderhalten. Ich denke, eine Erkenntnis aus der Nationalratswahl ist, dass die Wähler sehr flexibel sind. Sie unterscheiden aber auch nach der Art der Abstimmung bzw. auf welcher Ebene die Wahl abgehalten wird. Bezogen auf die Wahlgänge im nächsten Jahr sind natürlich alle Parteien bestrebt, sich eine möglichst gute Ausgangssituation – auch für die Verhandlungen danach – zu sichern. Bezogen auf die Parteien und die Bürgermeisterkandidaten: Ich nehme alle Kandidatinnen und Kandidaten ernst und sehe nicht primär ein Duell. Für mich haben mehrere das Potenzial, in die Stichwahl zu kommen. 

 

Wie will Für Innsbruck (FI) die Verluste von den letzten Gemeinderatswahlen aufholen? Welches Angebot stellt man dem Wähler? Das Wahlprogramm werden wir im April vorlegen, dem will ich nicht vorgreifen. Außerdem sind wir auch noch mitten im Arbeiten. Auch wenn einige Projekte im Herbst fertig geworden sind, gibt es schon noch einiges, das wir fertig- bzw. weiterbringen möchten, erfreulicherweise im Einvernehmen mit allen Parteien. Es wird einen kurzen Wahlkampf geben, ich denke, der April wird ausreichen, dann entscheidet der Wähler und dann stehen Koalitionsverhandlungen an.

 

Sollten Sie die Stadtregierung für eine weitere Legislaturperiode anführen, welche Themen oder konkreten Projekte würden Sie angehen wollen? Wiederum, ohne einem Wahlprogramm vorgreifen zu wollen: Was ich sehe, ist, dass es in der Stadt nach einer Phase, in der viele Infrastrukturprojekte umgesetzt wurden, nun darum geht, wie man diese optimal nutzen kann. Ich freue mich sehr auf die Stadtbibliothek, die im nächsten Jahr fertig wird, da geht es dann darum, diese neue Einrichtung bestimmungsgemäß mit Leben zu füllen. Die Voraussetzungen dafür sind geschaffen. Und ich denke, der Bereich Soziales, Bildung und Gesellschaft ist sicher einer, der im Zentrum einer nächsten Regierung stehen wird. Bauprojekte wird es wohl weniger geben, weil wir viele Dinge in diesem historischen Zeitfenster, das wir hatten, abschließen konnten. 

Wie nehmen Sie Innsbruck derzeit wahr, was hat sich verändert und was wird sich in der Stadt vielleicht nie ändern? Ich nehme Innsbruck als eine Stadt wahr, in die die Menschen hereindrängen, weil sie die Lebensqualität schätzen. Dazu gehören für mich die kurzen Wege, die Sport- und Kulturszene sowie die breiten Angebote im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsbereich. Auch die Universität möchte ich nicht vergessen, weil die besondere Dynamik und das junge Bild der Stadt schon sehr von den Studierenden geprägt wird. Es soll uns nichts Schlimmeres passieren, als eine Stadt zu sein, die attraktiv ist und in die Menschen zum Studieren oder Arbeiten oder als Touristen kommen wollen. 

 

Und was wird sich nie ändern? Der Bau der ersten Hungerburgbahn 1906 hat damals nahezu einen Sturm auf das Rathaus ausgelöst, weil die Menschen dem Bau sehr kritisch gegenüberstanden. Wie verbinde ich das mit heute? Die Bevölkerung in Innsbruck nimmt sehr viel Anteil an den Entwicklungen, am Geschehen, bringt sich auch sehr stark ein – und das erfordert viel Information seitens der Stadt. Diesen Informationsbedarf konnte man vielleicht nicht immer optimal erfüllen, auch weil viele Projekte einfach komplex sind und sich nicht in einer halben Stunde erklären lassen. Dieser hohe Anspruch also, den die Innsbrucker Bevölkerung hat, der bleibt immer gleich. Ich glaube aber, dass wir damit gut umgehen können, auch wenn es immer eine Herausforderung ist – keine Frage.

 

Wie rechtfertigen Sie die hohen Ausgaben der Stadt in den letzten Jahren? Ich rechtfertige sie damit, dass die Nutzung dieser Gebäude über 50, 60 Jahre hinausgehen wird: ob es das Kletterzentrum ist, wo wir in den ersten Monaten 70.000 Eintritte hatten, ob es die Wohn- und Pflegeheime sind oder die Tram/Regionalbahn. Wenn man privat eine Wohnung anschafft, zahlt man das auch nicht aus einem Jahreseinkommen, sondern über mehrere Jahre ab. Gleichzeitig schafft man – und das gilt auch für die Infrastruktur der Stadt – hier einen Vermögensaufbau. Insofern ist es auch zulässig, so langfristige Projekte auch über einen Zeitraum von 20 Jahren zu finanzieren.

Das Alkoholverbot (Ausnahme: öffentliche Veranstaltungen und Gastgärten) gilt am Südtiroler Platz, in der Maria-Theresien-Straße, in der Altstadt, der Museumstraße und im Rapoldipark.

 

 

 

Das Nächtigungsverbot gilt für die Altstadt und angrenzende Straßenzüge, für Teile Wiltens und die Unterführung entlang der Westbahn.

 

 

 

Was entgegnen Sie Menschen, die sagen, das Schlafverbot sei sozial nicht verträglich und die Alkoholverbote eine weitere Einschränkung ihrer Freiheiten? Das Zusammenleben in einer Stadt braucht Leitlinien, die für Sicherheit, Recht und Ordnung sorgen. Und die Nutzung eines begrenzten öffentlichen Raums ist durch entsprechende Verordnungen abzusichern, sodass er von möglichst vielen in Anspruch genommen werden kann. Wir hatten es mit einer überbordenden Nutzung des öffentlichen Raums durch eine Gruppe zu tun, die es anderen, gerade Familien und Senioren, unmöglich gemacht hat, den öffentlichen Raum zu nutzen. 

 

Und das Nächtigungsverbot? Das Nächtigungsverbot ist für mich eine soziale Frage, keine Sicherheitsfrage. Für mich ist es kein Ausdruck einer sozialen Stadt, wenn Menschen unter freiem Himmel nächtigen müssen. Für mich ist sozial, wenn wir die entsprechenden Angebote schaffen und die Menschen, in diesem Fall auch durch Verordnungen, in diese Einrichtungen bringen. Dazu gehören Sanitäranlagen, Duschen und auch eine warme Mahlzeit – dafür stehe ich ein. Ich bin dagegen, mit der rosaroten Brille, wie es gerade die Grünen machen, alles zuzulassen und dann ist man sozial. Alles zuzulassen, das ist für mich keine soziale Haltung. 

 

Warum sollten die Bürger Sie im April ein weiteres Mal als Bürgermeisterin wählen? Weil ich auf die Stadt Innsbruck insofern schaue, dass sie sich stetig weiterentwickelt. Dass es viele Angebote gibt im Kulturbereich, im Sozialbereich und im Bildungsbereich, den ich als einen der wichtigsten Aufgaben und Ressorts in der Gesellschaft überhaupt sehe. Ich will dafür sorgen, dass den Menschen möglichst viele Angebote zur Verfügung stehen, damit sie sich gerne in der Stadt aufhalten. Das ist die tagtägliche Zielsetzung meiner Arbeit. 

 

Vielen Dank für das Gespräch.