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APRIL 2019

Neues aus dem Bilderbuch

Eine große Österreich-Tour, Festival-Auftritte und haufenweise neue Musik: Es ist gerade eine richtig gute Zeit für Bilderbuch-Fans – und auch für die Band selber, wie Bassist Peter Horazdovsky im Interview erzählt.

Fotos: LeonardoScotti, Maschin REcords (2), Josef Beyer (2)
6020:

Eure beiden neuen Alben haben es gerade an die Spitze der österreichischen Charts geschafft. Habt ihr mit so einem Erfolg gerechnet oder war das dann doch eine Überraschung? Peter Horazdovsky: Wir haben uns Chart-technisch relativ wenig erwartet, das hört man, glaube ich, auch. Die neuen Alben waren eine Art Befreiungsschlag, bis zu einem gewissen Grad auch von den Charts, deshalb finde ich es wahnsinnig schön, dass das so funktioniert hat und die Leute das auch annehmen. 

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Und auch wenn man es hin und wieder leugnet, so ein Erfolg ist schon Balsam für die Seele, wenngleich unser Hauptaugenmerkt nicht auf Verkaufszahlen liegt. Wir freuen uns echt sehr darüber.

 

Wie sind die beiden neuen Alben entstanden? War der Prozess so befreit und locker, wie die Musik klingt? Auf jeden Fall! Ich glaube, wir sind immer schon ein bisschen befreiter an diese Geschichte rangegangen als andere, aber bei diesen zwei Platten haben wir uns tatsächlich bis zum Schluss nicht darüber unterhalten, was zum Beispiel eine potenzielle Single wäre.

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Alleine das zeigt schon irgendwie, dass es uns echt ein bisschen Wurscht war, wir wollten wirklich einfach das machen, was uns wichtig ist. Der erste Gedanke war nicht, „Ist das jetzt Chart-relevant?“, sondern „Taugt’s uns? Ist das was, was wir momentan hören würden?“. Mit der Vermarktung haben wir uns erst beschäftigt, nachdem die beiden Platten fertig waren.

 

„Die neuen Alben waren eine Art Befreiungsschlag.“

 

Wieso eigentlich zwei Platten? Es war immer schon so, dass wir viel mehr Tracks geschrieben haben, als auf den Platten Platz haben. Wir haben einen irre langen Song-Friedhof, der hinter uns begraben liegt. Dieses Mal haben wir gesagt, hey, wollen wir uns wieder für eine Platte entscheiden oder wollen wir diese zwei Seiten, die wir von uns gezeichnet haben, auch in zwei Platten repräsentiert wissen? Der Entstehungsprozess ist über zwei Jahre gegangen und wir haben schnell gesehen, dass das Material in zwei Richtungen geht, wir haben dann aber erst kurz vor dem Release entschieden, dass es zwei Platten werden. Es hätte auch sein können, dass wir das alles auf eine Platte hauen, oder dass man noch ein bisschen kürzt, aber die Tracks waren in dem Stadium schon so sehr unsere Babys, dass wir das nicht wollten. 

 

Warum habt ihr euch entschieden, „Mea culpa“ als Erstes zu veröffentlichen? „Mea culpa“ ist eine etwas introvertiertere Platte, wir wollten quasi erst ein bisschen die Seele beleuchten und dann mit „Vernissage My Heart“ wieder rausgehen aus dem Herz. Bis zu einem gewissen Grad war es auch eine Jahreszeiten-Entscheidung. Ich glaube, „Mea culpa“ hat musikalisch sehr gut in den Dezember gepasst, während die zweite Platte vielleicht eher im Frühjahr funktioniert, weil sie doch ein bisschen offener und extrovertierter ist. 

 

Für „Mea culpa“ habt ihr im Prinzip überhaupt keine Promotion gemacht, für „Vernissage My Heart“ dagegen schon. Wieso? Wir wollten ausprobieren, wie es ist, wenn man die Leute mit etwas Neuem überrascht. Es war schon seit langem in unseren Köpfen, einfach mal einen Overnight-Release zu machen. Das ist uns nicht ganz gelungen, wir haben ja doch ein bisschen angeteast, aber es ist tatsächlich ohne viel Promo gegangen. Uns war einfach wichtig, zu sehen, wie das funktioniert und wie die Leute das annehmen. Und auch wie der Vergleich ist, wenn man dann doch Promo macht. Das war genauso ein Experiment für uns.

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Ich find auch, dass die erste Platte irgendwie ein bisschen mehr für sich alleine steht, da brauche ich vielleicht weniger Erklärung als für die zweite. Man muss aber dazu sagen, dass die Promo-Phase für „Vernissage My Heart“ eigentlich auch für die erste Platte gegriffen hat. Es sind zwei Alben, zwei verschiedene Stilrichtungen, aber in Wahrheit ist das trotzdem ein Package.

Neues aus dem Bilderbuch

Im April touren Bilderbuch durch Österreich, Deutschland und die Schweiz.

Neues aus dem Bilderbuch

 

Wie war der Overnight-Release dann für euch? Grad mit einer Platte wie „Mea culpa“, die die Leute von Haus aus überrascht, ist es umso spannender, wenn du das nicht mal ankündigst, es keine Vorab-Single gibt, wenn man den Leuten nicht erst den kleinen Finger gibt, sondern auf einmal die ganze Hand hinhält. Viele haben anfangs vielleicht gar nicht so viel anfangen können damit, weil es eben diese Vorbereitung nicht gegeben hat. Ich glaube, dass das viele aber auch total sexy gefunden haben.

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Es war ein sehr positives Erlebnis, aber ich glaube, dass der Markt, in dem wir hauptsächlich Musik veröffentlichen und verkaufen, noch nicht ganz so weit ist wie zum Beispiel die USA, wo das schon viel üblicher ist und die Medien auch ein bisschen schneller reagieren. Uns war es wichtig, das einfach mal zu probieren und zu zeigen, hey, uns geht’s um die Musik und nicht um das ganze Vermarktungs-Hin-und-Her.

 

Wie geht’s euch dann jetzt mit der Promotion? Die Idee mit dem Europäischen Pass ist ja ziemlich eingeschlagen. Wir haben auf „Vernissage My Heart“ den Song „Europa 22“, der beschreibt eine Hoffnung, aber auch ein Fragezeichen dieser europäischen Idee gegenüber, und ich denke, das konnten wir auch mit dieser Aktion irgendwie ausdrücken, weil sie an und für sich jetzt nicht einmal so diese krass arge politische Aktion war. Wir haben quasi nur ein Puzzlestück hingeworfen, und die Leute haben dann selber das Puzzle gebaut. Die haben sich selber beantwortet, wie die Aktion zu deuten ist, sie haben selber zu diskutieren angefangen, was das eigentlich bedeutet, was ein gemeinsames Europa ist.

„Ich muss gestehen, wir sind tatsächlich nervös.“

 

Irgendwann hat die Aktion dann tatsächlich auch gar nicht mehr uns gehört – nach einem Tag haben wir das in Wahrheit aus der Hand gegeben und die Leute haben dann daraus gemacht, was sie machen wollten. Das war, glaube ich, auch das Ziel, aber es hat uns tatsächlich sehr überrascht, wie riesig das geworden ist und wie viele Politiker da auch aufgesprungen sind. 

 

Im April präsentiert ihr die neuen Songs zum ersten Mal live. Seid ihr nervös? Ich muss gestehen, das sind wir tatsächlich. Bei dieser Tour haben wir zum ersten Mal Lukas König, der auch schon auf Softdrink gerappt hat, als Keyboarder, Percussionist und als Sänger mit dabei, und wir sind da wirklich auch sehr nervös und gleichzeitig positiv gestimmt, was das angeht. Und nach einer Phase, in der man sehr, sehr viel in einem Tonstudio und im Proberaum gesessen ist, freuen wir uns echt einfach schon sehr, wirklich rauszugehen und zu spüren, was man selbst den Leuten gibt und was einem die Leute zurückgeben – das ist ein wahnsinnig schönes Erlebnis.

 

Wie ist es, wenn ihr ältere Songs spielt – kommt euch das manchmal komisch vor, oder fühlt sich das ganz natürlich an? Es gibt beides. Wir haben neulich im Proberaum zum Beispiel zum ersten Mal wieder „Sprit n’Soda“ gespielt, da ist mir dann sofort wieder das Herz aufgegangen, das ist echt ganz krass. Auf der anderen Seite gibt’s natürlich Tracks, die wir im Proberaum weniger oft spielen, wie zum Beispiel „Maschin“. Den haben wir ja echt schon oft, oft gespielt, den müssen wir auch nicht proben in dem Sinn, und das ist ein Track, der gehört nicht nur uns – der gehört uns und den Leuten gemeinsam. Darum macht der tatsächlich im Proberaum weniger Spaß als auf der Bühne.

 

Innenschau

Auf „Mea culpa“ zeigen Bilderbuch ihre introvertierte Seite.

 

 

Ab nach draußen

„Vernissage My Heart“ ist der extrovertierte Zwilling dazu.

 

 

Im Sommer spielt ihr ausverkaufte Shows in Schönbrunn. Wie geht’s euch damit? Die werden auf jeden Fall Meilensteine für uns. Das sind unsere größten Einzelkonzerte bisher, und wenn da wirklich zwei Tage hintereinander 15.000 Leute nur wegen uns auftauchen, ist das echt ein arges Gefühl. Es ist ja erst fünf Jahre her, dass wir im Weekender vor 130 Leuten gespielt haben. Das war eine so krasse Steigerung in den letzten Jahren, wenn man die ersten Zahlen von den Ticketverkäufen bekommt, ist man immer so, wow, arg. Super, aber arg.

 

Was sind eure Pläne für die nächste Zeit? Denkt ihr schon wieder über neue Musik nach? Wir waren tatsächlich vor ein paar Tagen im Studio! Offensichtlich wird uns sofort fad, wenn wir kurz mal nicht im Proberaum stehen, deshalb haben wir gleich wieder zwei Tracks aufgenommen. Also es wird nebenher an neuer Musik gearbeitet, dann wird natürlich geprobt und die Tour gespielt. Im Sommer werden wir dann weiterschauen, wie weit wir mit Demomaterial sind.

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Bei den letzten beiden Platten waren wir drei Wochen in Kroatien und haben uns einfach eine gute Zeit gemacht und daneben Songs geschrieben. Wenn wir da schon so weit sind im Kopf – das ist ja immer dieses Ding, man muss irgendwie bereit dafür sein, Songs zu schreiben, wieder offen sein und genug aufgesogen haben –, kann ich mir vorstellen, dass wir einfach im Sommer schon wieder zwei Wochen wo hinfahren, Songs schreiben und dann weiter schauen. Wir sind auf jeden Fall motiviert. 

„Es ist ja erst fünf Jahre her, dass wir im Weekender vor 130 Leuten gespielt haben.“