Wir empfehlen
APRIL 2019

Kein Heart für Neues?

Das Heart of Noise Festival findet im Juni erstmals im Haus der Musik statt – ganz ohne Stolpersteine ist das nicht über die Bühne gegangen. Müssen sich das Haus und die Politik den Vorwurf gefallen lassen, keinen Platz für die freie Szene zu haben?

Katja Ogrin, Axel Springer (3), Daniel Jarosch, Alexander Marcus, Weekender, Hetfleisch
D

er Verein Heart of Noise bzw. Für Innsbruck sorgten im Feber-Gemeinderat kurzfristig für Spannung. Die Jahressubvention des Vereins von 55.000 Euro wurde mit nur 27:13 Stimmen angenommen. Gemeinderätin Theresa Ringler, die auch Mitglied im Kulturausschuss ist, war nämlich die einzige Mandatarin innerhalb der FI-Fraktion, die dafür stimmte. Gemeinderäte Markus Stoll und Kurt Wallasch und Vizebürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer votierten dagegen, der Rest von FI meldete Stimmenthaltung an, wie auch Thomas Mayer (Liste Fritz). FPÖ und Gerald Depaoli (Gerechtes Innsbruck) stimmten – wiederum nicht überraschend – ebenfalls dagegen.

Frech?!

Für Unmut sorgten, wie Ringler erklärt, kurzfristige Forderungen seitens der Veranstalter. Die hofften auf 15.000 Euro mehr, die mit der Übersiedlung des Festivals vom Treibhaus ins Haus der Musik und technischen Nachrüstungen begründet wurden. „Dass die Veranstalter stante pede ins Haus der Musik wollten, kurzfristig mit Forderungen daherkommen und gleichzeitig die Technik kritisieren, kann man schon als frech bezeichnen“, sagt Ringler.

// 

Vizebürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer befand das Vorgehen in jedem Fall als frech. Ringler stimmte trotzdem für die Jahressubvention, weil der Verein schnell ein neues Konzept vorlegte, nachdem klar war, dass er kein zusätzliches Geld bekommen würde. Ob das Heart of Noise auch in den kommenden Jahren im Haus der Musik stattfinden wird – das „werde man sehen“.

Selbstbewusste Ansage.

Als frech will Chris Koubek, Veranstalter des Heart of Noise und geschäftsführender Obmann der p.m.k, seine Forderung nicht verstanden wissen. Man habe zwar eine „selbstbewusste Anfrage gestellt“, aber das auch nicht von ungefähr: „Eigentlich hat man uns immer signalisiert, die freie oder alternative Szene einbinden zu wollen“, erzählt Koubek. Er und andere Veranstalter wurden zu Beginn der Konzeption des Hauses sogar aktiv eingebunden – auch hinsichtlich der technischen Ausstattung.

„Das Vorgehen der Veranstalter kann man schon als frech
bezeichnen.“

Theresa Ringler, Gemeinderätin, FI

 

 

Nach Fertigstellung des Hauses war aber klar, dass die vorhandene Technik nicht ausreichen wird. Im Fall des Heart of Noise Festivals fehlt unter anderem eine Aufhängung in der Decke, sogenannte Flugpunkte, an der Scheinwerfer und zusätzliche Lautsprecher befestigt werden können. Die vorhandenen tragen nur bis zu 500 Kilogramm.

// 

Eine Alternative wäre eine Bodenkonstruktion, ein sogenanntes Rig, wie man sie zum Beispiel von Open Airs kennt. Genau für diese Nachrüstungen hätte der Verein die 15.000 Euro mehr gebraucht. „Uns ist klar, dass das nicht wenig Geld ist, das einfach zur Verfügung steht. Wir haben aber auf ein Entgegenkommen gehofft, da für uns nicht davon auszugehen war, dass ein neuer Veranstaltungssaal nicht mit solchen Flugpunkten ausgestattet ist, die sonst zum Standard in der Veranstaltungstechnik gehören“, betont Koubek.

Böse Überraschung.

Chris Koubek räumt auch ein, dass die musikalischen Inhalte des Heart of Noise Festivals besondere Anforderungen an die Technik mit sich bringen. In den bisherigen Veranstaltungsorten wie den Stadtsälen oder dem Treibhaus musste zum Beispiel mit zusätzlichen Subwoofern und Lichtanlagen nachgeholfen werden. Aber mit – vor allem finanziell – überschaubarem Aufwand. Ist also das Treibhaus besser ausgerüstet als das Haus der Musik? „Die Tontechnik im Treibhaus ist über die Jahre aufgebaut, stetig verbessert und an die technischen Anforderungen der Zeit angepasst worden“, bestätigt Koubek und hofft, dass auch im Haus der Musik noch nachgerüstet wird, um das Haus noch offener und auch für die junge, urbane Musik bespielbar zu machen.

// 

„Wir sahen das Haus der Musik schon in der Planungsphase immer als große Chance für das Heart of Noise Festival, um es optimal weiterentwickeln zu können“, sagt Koubek. Raumdimension, Ausstrahlung und die Lage im Zentrum der Stadt würden das bieten, was das Festival brauchen würde.

„Eigentlich hat man uns immer
signalisiert, die freie oder alternative Szene einbinden zu wollen.“

Chris Koubek, Veranstalter des Heart of Noise 

Kein Heart für Neues?

Das Festival

2011 fand das Festival zum ersten Mal statt – als Siegerprojekt der stadt_potenziale. Damals an zwei Tagen und zwei Schauplätzen (p.m.k und cinematograph) mit vier Veranstaltungen, elf Acts und 500 Besuchern. 2018 waren es vierTagezehnVeranstaltungen31Acts und 2.500 Besucher.

Kein Heart für Neues?

Das Haus

Seit er Eröffnung im Oktober 2018 fanden im Haus der Musik 50 Führungen, 28 Proben, 320 Veranstaltungen mit insgesamt 58.820 Besuchern statt (Stand Feber 2019). 

 

Die Zusammenarbeit mit der Stadt hätte bis dato auch immer gut funktioniert: „Eigentlich ist auch Vizebürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer von Anfang an hinter uns gestanden, und auch Kulturstadträtin Uschi Schwarzl (Grüne) sowie Wolfgang Laubichler, Direktor Haus der Musik, sind offen und haben uns immer Unterstützung signalisiert“, sagt Koubek. Umso überraschter ist er über die Entwicklung der letzten Wochen und setzt auf weitere Gespräche mit den Verantwortlichen.

Hoch- und Subkultur.

Für Konzertveranstalter Andy Franzelin von Weekender presents ist das Haus der Musik keine wirkliche Option. Er bezieht sich dabei auf ein Zitat von Wolfgang Laubichler, aus einem Artikel, der im Dezember in der Tiroler Tageszeitung erschienen ist: „99 Prozent aller Konzerte bei uns werden daher wohl mit unverstärkten oder nur vorsichtig verstärkten Instrumenten über die Bühne gehen.“ Zu den technischen Details des Hauses könne sich Franzelin nicht äußern, weil er sie nicht kennt – sagt aber: „Aufgrund der Aussage von Direktor Laubichler ist das Haus für mich als Konzertveranstalter völlig uninteressant.“

// 

Ob er es aber wichtig fände, dass Zeitgenössisches im Haus Platz finden würde? „Ja, absolut!“ Es sei eine vertane Chance, dass man es trotz des großen Budgets nicht geschafft hat, ein Haus zu bauen, das veranstaltungstechnisch sämtliche Spielarten von Musik abdecken kann. „Insofern darf man sich nicht wundern, dass es weiterhin keine Verzahnung von Hoch- und Subkultur geben wird.“  

Keine eierlegende Wollmilchsau.

Kulturstadträtin Uschi Schwarzl und Direktor Wolfgang Laubichler wollen klarstellen, dass das Festival im Haus der Musik willkommen sei. Schwarzl hatte sich auch bemüht, die Sondersubvention aufzutreiben, dafür aber keine Mehrheit gefunden. 

„So darf man sich nicht wundern, dass es weiterhin keine Verzahnung
von Hoch- und Subkultur geben wird.“ 

Andy Franzelin, Konzertveranstalter

 

 

Was die technische Ausstattung des Hauses anbelangt, sagt Wolfgang Laubichler: „Den speziellen Anforderungen eines Heart of Noise werden wir nie entsprechen, wir befinden uns aber in einem Prozess, die vorhandene Technik auszubauen.“ Zum Beispiel wird ein Tanzboden nachgerüstet – aber nicht nur für das Heart of Noise, sondern auch für andere Veranstaltungen. Dass die anfängliche Einbindung entsprechende Erwartungen in der Szene geweckt hat, könne Schwarzl nachvollziehen. Allerdings müsse man bedenken, dass das Haus seither mehrmals umgeplant wurde, immer wieder mussten Kompromisse eingegangen werden.

// 

Stadträtin Schwarzl und Direktor Laubichler sagen auch, dass das Haus der Musik keine eierlegende Wollmilchsau sein könne oder wolle. „Kultur lebt von Vielfalt, und das gilt auch für Veranstaltungsorte. Ein Kellertheater ist kein Landestheater, und der Große Saal im Haus der Musik ist kein zweiter Saal Tirol im Congress“, so Schwarzl. Prinzipiell sei das Haus auf akustische Musik ausgerichtet und für die dazugehörigen Konzerte auch bestens geeignet – auch für zeitgenössische: „Die Klangspuren Schwaz werden heuer bei uns gastieren“, erzählt Laubichler.

// 

Zusammengefasst lassen beide ausrichten: Die freie Szene ist willkommen im Haus der Musik, alle Erwartungen und Wünsche werde man aber nicht erfüllen können und setze daher auf Flexibilität – von beiden Seiten. 

„Kultur lebt von Vielfalt, und das gilt auch für Veranstaltungs-
orte.“

Uschi Schwarzl, Kulturstadträtin, GRÜNE