ich mit dem Nichts zu beschäftigen, macht intellektuell ja einen irrsinnig schlanken Fuß. So freut es mich außerordentlich, just dieses sexy Thema in unserem leicht kratzigen Rollkragenpullover von einer Frühsommer-Kolumne aufzugreifen. Um genau zu sein, geht es mir jedoch nicht um das Nichts in seiner unerträglichen Abstraktheit. Wenn Sie das interessiert, liebe Damen und Herren leserseitig, darf ich Sie bitten, bei Heidegger, Sartre oder Gabalier nachzuschlagen. Oder Sie wohnen einmal sonntagnachmittags der Brieflos-Show auf FS2 bei und erleben ein gedankliches Vakuum ganzheitlich. Für jetzt erlaube ich mir stattdessen, Ihre geschätzte Aufmerksamkeit auf einen Spezialfall des Nichts zu lenken, nämlich das Loch, und hier insbesondere auf dessen Phänomenologie in der aktuellen Jeansmode.
//Bevor wir ganz in medias res gehen, wie wir Erwachsenenbildner mit Handytasche am Gürtel sagen, einige allgemeine Begriffsbestimmungen. Der Duden definiert das Loch als eine „durch Beschädigung, absichtliche Einwirkung o. Ä. entstandene offene Stelle, an der die Substanz nicht mehr vorhanden ist“. Ich schließe mich dieser Charakterisierung vollinhaltlich an, möchte zudem aber bei der Klasse der absichtlich evozierten Löcher zwischen dem Funktions- und dem Schmuckloch unterscheiden. Zu ersterem zählen beispielsweise das Knopfloch oder der Heckeinstieg bei Strumpf oder Socke, zu letzterem alle Aussparungen, die ausschließlich einem ästhetischen Zweck dienen – wobei es durchaus Überschneidungen gibt: Jedes Einzelloch im Netzleibchen schaut schließlich nicht nur prima aus, es sorgt auch für die vom Träger favorisierte Luftigkeit.
Dem Loch kommt eine Überragende Bedeutung zu.
Man kann sagen: Dem Loch kommt im Zusammenhang mit dem zeitgenössischen Beinkleid US-amerikanischer Prägung eine überragende Bedeutung zu. Mehr noch: Das Loch ist drauf und dran, den Stoff als Hauptbestandteil der Hose zu verdrängen. Acht von zehn Hosen, die Sie heute auf der Straße begutachten, weil Sie Idiot ja unbedingt über das Loch und insbesondere dessen Phänomenologie in der aktuellen Jeansmode schreiben müssen, sind als textiler Totalschaden zu bezeichnen.
//Klar ist: Diese oft kilometerlangen Risse und großflächigen Verwüstungen rühren nur in den seltensten Fällen von unglücklich verlaufenen Manövern mit Fahrrad oder Longboard oder davon, dass sich ein junger Mensch in alterstypischer Unbekümmertheit mit Anlauf auf die Knie geworfen und in der Siegerpose eines Fußballers, „Hurra, heute fällt Mathe aus!“ rufend, am Asphalt den Stoff durchgewetzt hat. Nein, hier steckt ein System der Gewebedisruption dahinter, das in letzter Konsequenz zur Erfindung der Zero Jeans, der umjubelten Designer-Nicht-Hose, führen wird.
//Schon heute werden manche Hosen nur mehr von einzelnen Fäden zusammengehalten, die im Zusammenspiel mit unglücklicher Körperfetteinlage seitens der Trägerschaft zumindest bei mir Appetit auf Selchroller wecken. Der Fachmann spricht hier von Destroyed oder Ripped Jeans. Worüber er sich weniger auslässt, ist die Frage, wie diese Destruktivveredelung vonstattengeht. Höchstwahrscheinlich werden hierbei Kinder mit zwei Portionen LSD und einem Teppichmesser auf die Hosen losgelassen. Aber ich alter Schwarzmaler übertreibe sicher: Vielleicht sind die putzigen Arbeiter auch einfach nur high von den Chemikalien, die in der bangladeschischen beziehungsweise bangladen Textilindustrie genutzt werden.
//Apropos faire Arbeitsbedingungen: Während das Loch in der Hose zum guten Ton gehört, wird es dem Socken als unschickliche Nachlässigkeit ausgelegt, die durchaus Rückschlüsse auf den Besitzer erlaubt. Typ: schmieriger Nachbar, dem man zutraut, dass er mit 20 Kilo Faschiertem in der Badewanne kuschelt.
//Was aber gar nicht stimmt. Ich bastle Fleischburgen.