Wir empfehlen
JUNI 2017

Essay

---

Wenn der Postmann niemals klingelt.

A

lso ich weiß nicht, aber irgendwie kommt mir vor, der Paketbote läutet nie, sondern legt einfach eine Benachrichtigung ins Postfach“, sagte K. Ich sagte: „Ach, Frau, was bist du nur für ein misstrauisch Wesen! Wahrscheinlich hast du es überhört oder warst vielleicht wirklich nicht zugegen und weißt es bloß nicht mehr. Wir wollen doch vorsichtig sein mit solchen gemeinen Anschuldigungen.“ Das war vor ein paar Wochen.

// 

Dann musste ich ein, zwei Tage das Bett hüten, wie man so schön sagt, obwohl es eigentlich gar nicht besonders schön klingt und schon überhaupt gar nicht schön ist. Das war letzte Woche. Jedenfalls: Als ich abends so weit wieder hergestellt war, um die Küche nach Essbarem zu durchforsten, fand ich am Küchentisch einen gelben Zettel vor, der sich als Benachrichtigung hinsichtlich eines erfolglosen Zustellversuchs entpuppte. Als K. in die Küche trat und mich haareraufend über diesen Wisch gebeugt sah, sagte sie: „Da siehst du’s. Obwohl du heute den ganzen Tag zu Hause warst, hat unser lieber Zusteller angeblich niemanden angetroffen. Ist das nicht merkwürdig?“ Ich sagte: „Dieser hinterhältige, nichtsnutzige Sack von einem Paketboten kann etwas erleben, wenn ich ihn in die Finger kriege.“

// 

Tags darauf rief ich bei der Kundenhotline an und verlangte nach einer Erklärung. „Aber Sie haben ja eine Benachrichtigung erhalten“, entgegnete die weibliche Stimme, nachdem ich meinen schrecklichen Verdacht empört in den Hörer gehustet hatte. Ich bejahte.

Sie: „Dann können Sie das Paket ja einfach abholen.“

Sie: „Wenn eine Sendung zur Abholung bereitgestellt wird, hat es davor bereits einen Zustellversuch gegeben. Einen vergeblichen.“

Ich: „Keine Ahnung, wie dieser Versuch ausgesehen hat, gute Frau. Vielleicht hat Ihr Mitarbeiter vergeblich meinen Namen geflüstert, mir erfolglos Handzeichen gegeben oder umsonst versucht, auf telepathischem Wege Kontakt mit meinem Astralleib aufzunehmen. Aber geläutet hat er jedenfalls nicht“, zischte ich ins Telefon. Die Stimme faselte etwas von Bedauern, Geschäftsbedingungen und warf mich schließlich aus der Leitung.

 

Dieser hinterhältige Sack von einem Paketboten

 

Zwei Stunden später hatte ich mich wieder halbwegs von dem Telefonat erholt und befand mich mehr oder weniger verzweifelt auf der Suche nach etwas, das ich online bestellen konnte, um den Botensack umgehend in eine Falle zu locken. Nach dem Motto: Auf frischer Tat ertappt es sich immer noch am besten.

// 

K. fragte: „Was machst du da?“ Ich sagte: „Ich befinde mich mehr oder weniger verzweifelt auf der Suche nach etwas, das ich online bestellen kann, um den Botensack umgehend in eine Falle zu locken.“

// 

K.: „Ach, da fällt dir ja bestimmt was ein.“

Ich: „Einen seltsamen Unterton brauche ich jedenfalls nicht zu bestellen. Davon haben wir offensichtlich noch genug zu Hause.“

K.: „Sehr witzig.“

Ich: „Staubsaugersäcke!“

K.: „Hab ich gerade im Mediamarkt gekauft.“

Ich: „Mensch, kannst du das nicht wie jeder normale Mensch online machen?“

K.: „Suchst du Streit?“

Ich: „Nein, ich suche etwas zum Bestellen. Einen Wasserkocher zum Beispiel.“

K.: „Aber der alte geht doch noch.“

Ich: „Eine externe Festplatte! Wollte ich schon immer mal haben.“

K.: „Hab ich doch auch gerade im Mediamarkt gekauft, Schatz.“

Ich: „Du hast was?“

K.: „Ach, vergiss es.“

// 

Kurz entschlossen schnappte ich mir den Laptop, orderte eine formschöne Festplatte und fand dabei sogar noch die Zeit, mich kritisch mit den Spezifikationen (blau, gibt es aber auch in Weiß) auseinanderzusetzen. Ich finde, blau passt besser. Jedenfalls. Jetzt sitze ich schon vier Tage zu Hause fest. Von Paket und/oder Bote keine Spur. K. sagt: „Findest du das Ganze eigentlich nicht lächerlich?“ Ich sage: „Leise, Frau, sonst höre ich die Glocke nicht.“

 

[email protected]