a, man kann ein charmantes Kommödchen über eine eben durchlittene Bauchfellentzündung schreiben, da muss man jetzt nicht Molière sein oder so. Es ist aber, wenn wir uns ehrlich sind – und was sind wir uns nicht immer ehrlich, nicht wahr, liebe Freunde der Offenheit? –, schon ein bisschen viel verlangt. Wenn ich Sie in den folgenden zwei Minuten ganz großes Kolumnenkino sowohl hinsichtlich als auch mithilfe des Themas Urlaubsgrüße zu belustigen versuche, so bin ich durchaus mit der unangenehmen Situation konfrontiert, dass ich bei Urlaub ja schon überhaupt gar nicht zum Spaßen aufgelegt bin. Grund: Urlaub kann ich einfach nicht.
//Manche können das, also echt. Die planen ihre Reise mit einer an Abartigkeit grenzenden Begeisterung, freuen sich schon Wochen vorher wie die Schneekönige und sind in den Tagen davor hin- und hergerissen zwischen dauerentspannt und total aufgeregt, weil es jetzt dann ja bald losgeht und das sowieso der schönste Urlaub überhaupt wird und so weiter und so krank. Ich hingegen brüte über Checklisten, bereue leichtfertig getroffene Entscheidungen („Wieso bloß Nordhalbkugel!?“), kontrolliere manisch Unterlagen wie ein Mitarbeiter-des-Monats-Betriebsprüfer vom Finanzamt und befinde mich insgesamt in einem Zustand der seelischen und körperlichen Zerrüttung, der absurderweise schleunigst Urlaub notwendig macht.
Hab ich die Erdbebenimpfung aufgefrischt? Liegt das Auslandsversicherungsformular bei versehentlicher Organspende vor? Was wenn der Boiler explodiert und sich bei meiner Rückkehr obendrein ein in seine Einzelteile zerlegter Einbrecher über den Gang erstreckt. Ich meine, der Mann hatte vielleicht Frau und Kind.
//Nein, Urlaub zählt sicher nicht zu meinen Stärken. Warum ich mich in einem Akt kolumnistischer Selbstüberwindung trotzdem des Themas annehme, ist leicht erklärt: Kulturgut ist bedroht. Oder wie wir Freunde der klaren Worte sagen: Kein Schwein schreibt mehr Ansichtskarten. Klar, wozu auch? Jedes nur denkbare Stück Reiseerlebnisinformation wird ja spätestens mit Betreten des Flughafens via Facebook, Instagram und WhatsApp in die Welt geblasorchestert.
//Früher rotzte man aber nicht einfach irgendwelche Drei-Wort-Botschaften zwischen zwei Frozen Yoghurts hin, nein, nein, man nahm sich Zeit und formulierte erbauliche Gruß-Kleinodien, die an Haikus gemahnten. In etwa so: „Bibione liegt herrlich. Es ist sehr heiß. Das Essen schmeckt gut. Gestern waren wir Tretbootfahren, das Klo funktioniert schon die ganze Woche nicht richtig. Franzi ist oft schlecht. Also diese Italiener.“ Und die Unterschrift fitzelte man in ärgster Raumnot noch irgendwie darunter.
Dazu muss man wissen: Es gibt zwei Arten von Menschen – die, die sich den Platz auf einer Postkarte einteilen können, und die, die nicht. Wer dann auch noch die Adresse korrekt ausfüllt, obwohl immer entweder eine Linie zu viel oder zu wenig vorhanden ist, spielt für mich grafisch-gestalterisch in einer Liga mit Albrecht Dürer oder diesem fetten Eunuchen-Mönch aus „Der Name der Rose“.
//Herausfordernd jedenfalls auch die Motivauswahl. Grundsätzlich schwankte man ja immer zwischen einer künstlerisch wahnsinnig ansprechenden Aufnahme und dem zweifellos leicht marktschreierischen Multifoto-Potpourri, das ein durchwegs programmatischer Spruch wie „Bella Italia“ oder „Viva Espana“ sinnstiftend ergänzte.
//Ja, und dann griff man doch zu dem zart angesandeten Popo, auf den ein begnadeter Fingermaler ein Herz gezaubert hatte. Vielleicht war es aber auch Sonnencreme und ein Bauch. Egal, jetzt hab ich Lust auf Urlaub. Und das will was heißen.