s gibt ja diese Vater-Sohn-Dings. So Momente. Zu Weihnachten zum Beispiel. Da stapfen Vater und Sohn auf der Suche nach einem prächtigen Tannenbaum durch den Wald. Familientradition. Hat schon der Urgroßvater mit dem Großvater gemacht. Damals noch in Schwarz-Weiß.
Alles ist in eine flauschige Schneedecke gehüllt. Die stille dunkle Nacht, nur erhellt vom Mondschein. Beide tragen eine Strickjacke, an die sich Schnee in dicken Knollen geheftet hat, genagelte Stiefel und frieren ein wenig. Ganz wichtig auch: Der Schal des Sohnemanns hängt am Rücken ein bisschen runter. Soll heißen: Mit Mutti wär das nicht passiert. Heißt aber auch: Das hier ist ein Vater-Sohn-Moment. Weil Mutter-Sohn-Momente finden normalerweise ja nur in Wartezimmern statt. Oder vor dem unaufgeräumten Kleiderschrank.
Und dann stoßen sie auf den aber wunderschönsten Baum in dieser zauberhaften Winternacht. Und die Späne tanzen durch die Luft, als der Vater mit seiner selbst geschliffenen Axt gekonnt die Tanne umhackt.
Dein Sohn sagt, dass Joshua-Laurin sagt, dass es das Christkind überhaupt nicht gibt.
Du weißt auch schon, wen du heute noch umhacken wirst, nämlich dich selber. Weil du mit einer Funktionsjacke für minus 35 Grad und Windstärke zehn im überheizten Supermarkt stehst und versuchst die Inhaltsstoffe eines Weihnachtsstollen zu entschlüsseln. Immerhin: Es ist nicht der Mount Everest und die Luft wird trotzdem ziemlich dünn.
//Eigentlich wollte ja die Mutter deiner Kinder den Stollen backen. Weil: Jeden Scheiß selber machen ist das neue entspannt-auf-der-Couch-ein- Buch-lesen. Aber deine Frau campt seit drei Tagen vor der Allergieambulanz wegen einer vermuteten Glutenunverträglichkeit eurer Katze oder holt gerade die Kleine vom Kinderyoga nach Rhamasam Brahmanhamantamtam ab. Der Name ist nicht das Einzige, was dir an dem 500-Euro-Kurs seltsam vorkommt.
//Dein Sohn weiß nichts von Vater-Sohn-Dings in verschneiten Wäldern. Zum Glück. Deshalb wird er dir auch nicht gegen das Schienbein treten, wenn du zu ihm sagst: Komm mit auf den Dachboden, mein Lieber, dann zeige ich dir, wie man einen Christbaumständer unter fünf Kisten Sondermüll herausbekommt. Ja, das sind eure Momente. Und du hast Angst vor ihnen.
//Joshua-Laurin, der beste Freund deines Sohnes, wird liberal erzogen. Seit er vier ist, weiß er, was ein Scheidenkrampf ist und er kann die UN-Kinderrechtscharta in drei Sprachen aufsagen. Wenn ihm seine Mutter den vierten Fruchtzwerg hintereinander verbieten will, ruft er bei Amnesty International an. Joshua-Laurin sagt, dass es das Christkind überhaupt nicht gibt. Dein Sohn sagt, dass Joshua-Laurin sagt, dass es das Christkind überhaupt nicht gibt. Und was sagst du?
//Dass du jetzt auch nicht verstehst, warum hierzulande ein galiläischer Jude als strohblondes Mädchen dargestellt wird und die den echten Jesus lieber nur ans Kreuz hängen. Nein, das natürlich nicht. Du sagst: Das Christkind kommt nur zu denen, die daran glauben. Das ist juristisch wasserdicht und stimmt sogar ein bisschen. Und das Wichtigste: Es leuchtet deinem Sohn ein. Er fragt sich bloß, was dann bei Graziella-Marie zu Weihnachten los ist, deren Eltern Schamanen der siebten Stufe sind.
//Aber da hast du probeweise schon die Sicherheitslichterkette made in China eingesteckt und hängst im Stromkreis. Und schon melden sich die Streicher deines Gehirnorchesters mit den ersten Takten von „Es wird scho glei dumpa“. Und dann wird es wirklich gleich Nacht. Und es wird still. Endlich.