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FEBER 2017

Essay

Narrationsvakuum

Fake-News? Können wir schon lange.

N

ach falschen Brüsten sind Fake-News sicherlich wieder einmal eine Kulturleistung aus Ameriga, die wo fürs Erste kritisch zu beurteilen ist, meine Damen und Herren von der kulturimperialistischen Gefahrenabwehr. Ist aber keine Überraschung, wenn Sie mich fragen. Die Serie großartiger US-amerikanischer Innovationen vom Knabberleistenbleaching über super shiny Fotofilter und Karamellkaffee bis hin zur Abschaffung des Datenschutzes und Pulled Pork musste irgendwann einfach reißen.

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Jetzt also Fake-News. Sie müssen wissen: Ich spreche hier als Fast-Journalist und Beinahe-Reporter und nicht bloß als kleine Leserwurst von der Straße. Ich ordne deshalb kraft meiner Autorität als vierte Gewalt im Staate an, dass Sie mich in dieser Angelegenheit ernst nehmen, jawohl.

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Es ist nämlich so: Wir Medienleute haben ja nicht über Jahrhunderte ein komplexes, äußerst ausgeklügeltes System der Fehlleistungen erschaffen, das es uns auf das Raffinierteste erlaubt, Zahlen zu verdrehen, Namen auf absurde Weise falsch zu schreiben und »Achtung, das ist ein Mustertext!« (eine Beschreibung, die ja eigentlich durchaus über ausreichend emblematische Qualität verfügen würde, um als solche erkannt zu werden) in prominenten Bildunterschriften stehen zu lassen, nur damit jetzt irgendwelche obskuren Organisationen wie das Weiße Haus oder am Ende sogar Privatpersonen die Welt mit ihren erfundenen Drecksberichten narren.

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Wir sind nicht umsonst in der Lage, aus einem hundertprozentigen Narrationsvakuum, einer in Reinform vorliegenden Nichtgeschichte rund um die Gedankenwelt eines nur Eingeweihten bekannten Parteischergen eine komplett überdrehte Eilmeldung zu zimmern. Und wir haben es in zwanzig Jahren Internet nicht ohne Grund geschafft, mit unseren Angeboten zwar viel zu wenig Geld zu verdienen, dafür aber für einen Click jede Scheißidee aufzugreifen. Stichwort: Am Anfang dieses Videos spricht nur Jesus mit einem Gemüseverkäufer, aber dann passiert etwas Unglaubliches.

Ich spreche hier als Fast-Journalist und Beinahe-Reporter.

 

Überhaupt: Unsaubere Recherche, selbstherrliche Parteinahme, vorschnelle Verurteilung, Spekulationen auf Fantasiebasis – das lernt sich ja nicht von selbst, bitte. Es bedarf hier einer grundsoliden Ausbildung, und es braucht professionelle Strukturen, die sicherstellen, dass hier nicht dilettantisch, sondern auf entsprechend hohem Ignoranzniveau herumgeschlampt wird.

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Weil: Halbherzig von »alternativen Fakten« quatschen kann jeder. Aber ein winziges Erratum derart geschickt unter den Wochenenddiensten der Pferdedentisten zu verstecken, dass es nicht einmal ein Philologe mit zwei Greifvögeln im Stammbaum findet, ist eine Kunst. Eine von mir vor zwölf Sekunden in Auftrag gegebene Schätzung kommt zu dem Ergebnis, dass 67 Prozent der Österreicher überhaupt nicht wissen, worum es sich bei einem Erratum handelt. Wieso wohl, frage ich Sie.

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Es ist ja so: Als Kolumnist musst du immer ganz, ganz nah bei den Lesern sein. Und zwar so nah, dass sie deinen leidlich abgestandenen, in der Kopfnote leicht säuerlichen Kolumnistenatem spüren und Sätze sagen wie: Was sind wir froh, dass die Geruchsglosse noch nicht erfunden wurde! Als Kolumnist findest du ebenfalls, dass es ja wirklich besser ist, dass man Metaphern und so nicht riechen kann, du aber halt trotzdem einfach ganz nah ran musst an die Leserschaft. Damit die Botschaften auch ankommen.

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Und so hauche ich Ihnen ganz im Vertrauen entgegen: Ob fake oder nicht, spielt heute keine Rolle. Nur no news sind good news.

 

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