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JULI 2015

Essay

Ässän!!!

Was wir von der Seescheide lernen können. Und falls Sie nicht wollen, dann ich halt alleine.

J

etzt ist auch schon wieder Juli, und die Entfernung zur Bikinifigur beträgt immer noch 2,7 Lichtjahre. Also ich kann Ihnen sagen: Als passionierte Solidarfrau schluckt man da durchaus. Das passt aber eigentlich eh ganz gut, denn a) beweise ich damit schon in Zeile vier wieder einmal, was für ein verletzlicher, sensibler, menschlicher – na ja – Transvestit ich doch bin und b) sind wir schon beim Thema dieses luftigen Sommerkolümnchens angelangt. Es lautet: Essen. Oder wie wir Binge Eater sagen: Ässän!!!

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Kann ich ja zum Beispiel wahnsinnig gut: Ässän!!! Ich würde sogar so weit gehen und sagen, es gibt nichts, was mir besser liegt als Ässän!!!. Because I‘m lovin‘ it. Außerdem ist es ja so: Ein Teller Nudeln erzählt dir nichts von den dämlichen Schwimmmeisterschaften seiner Tochter und er erklärt dir auch nicht, wie verrückt die Griechen sind oder die EU oder beide. Ein Teller Nudeln sagt nur: Iss mich! Man kann sagen: Ein Teller Nudeln ist der beste Freund des Menschen.

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Ich also ständig beim Ässän!!!. Gerade neulich hat mir mein Arzt Hotel-Urlaube bis auf Weiteres verboten. Der Doktor sagt: Noch eine Woche Buffet steht mein Körper nicht mehr durch. Cholesterin im vierstelligen Bereich. Da würde dann irgendwo irgendetwas explodieren oder so. Hotel-Urlaub heißt bei mir jeden Abend feierlich geloben, weniger zu ässän!!!, und sich dann nach dem Frühstück wieder an den Strand rollen lassen, wo man so gegen zehn Lust auf ein Eis oder auf was Fettes mit Sauce bekommt.

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Es ist ja so: Fresssucht und Zwangsstörung sind jetzt nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für einen entspannten Umgang mit der Nahrungsaufnahme.

„Ein Teller Nudeln erzählt dir nichts von den dämlichen Schwimmmeisterschaften seiner Tochter.“

Wenn ich zum Beispiel einen meiner bevorzugten Ching-Chang-Chung-Glutamattempel aufsuche, schwingt immer eine gewisse Angst mit: Hoffentlich ist genug Sushi da, hoffentlich hat der gute Mensch von Sezuan an das knusprige Hühnerfleisch gedacht, hoffentlich gibt es diese gefüllten Bällchen mit Kastanienpampe oder was das ist, bitte, bitte, bitte. Und: Wenn die jetzt schon wieder das frittierte Gemüse nicht rechtzeitig auffüllen, flippe ich aus.

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Der werte Leser und insbesondere die geneigte Leserin werden eine solche Gefühlslage sicher nur müde belächeln. Wer 6020er Stadtblatt zur Hand nimmt, ist schließlich trendmäßig ganz weit vorn und hat gänzlich andere Sorgen.

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Zum Beispiel: Wo gibt es die besten Rezepte mit Quinoa? Habe ich für meinen Teil ja bis vor Kurzem für eine portugiesische Kolonie in Indien gehalten oder einen bedrohten Zwerg-indianerstamm. Dabei ist der/die/das Quinoa ja der neueste Scheiß am Sättigungsbeilagenmarkt. Aber ich kann Ihnen sagen: Wenn Sie mir eine ordentliche Portion Quinoa hinstellen, dann werde ich auch die ässän!!!. Weil wählerisch bin ich schon lange nicht mehr.

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Womit wir endlich bei der Erfüllung des Bildungsauftrags (Sommersemester 2015) angekommen sind. Stichwort: nicht heikel sein. Stichwort: Seescheide. Sollten Sie dieses possierliche Tierchen, das die Meere bevölkert, noch nicht kennen, dann wird es aber Zeit. Weil: Die junge Seescheide ist anfangs flott im Wasser unterwegs, im fortgeschrittenen Alter wird sie dann am Meeresgrund sesshaft. Und weil sie dafür ihr Gehirn nicht mehr braucht, frisst sie es langsam auf.

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Sie nennen das jetzt vielleicht seltsam oder bizarr. Ich nenne es eine interessante Perspektive.  

 

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