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SEPTEMBER 2019

Essay

Erste-Welt-Arsch

Warum die 90er jetzt eine feine Sache wären

D

as schlechte Gewissen plagt heutzutage schon am Frühstückstisch. Kein Wunder – allein wegen des Palmöls in einem einzigen Nutellaglas müssen drei Orang-Utans und ein indonesischer Kleinbauer um den Restbaum in ihrem Regenwaldgrätzel streiten. Und die Milch für den Kaffee wird unselbstständig beschäftigten Kühen ja auch nicht gerade auf die feine englische Art abgenötigt.

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Man kann sagen: Sich auf seinem Erste-Welt-Arsch einen schönen Samstagmorgen zu machen, war schon mal einfacher.

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Nicht wenige, die sie erlebt haben, wünschen sich deshalb die 90er-Jahre zurück. Grund: Der Wohlstand war in unseren Breitengraden genau gleich hoch – aber ohne diese aufwändige, und wenn wir ehrlich sind: auch ziemlich ermüdende Moralgeschichte. Wer damals die drei Kilo jämmerlich verschimmelte Zucchini in der Biotonne statt im Restmüll entsorgte, kam sich ethisch bereits eminent hochstehend vor. Braune Eier zu kaufen galt als ökologische Avantgarde. In Österreich waren alle außerdem fürchterlich stolz auf die Mülltrennung, und es überrascht wenig, dass sie als Lösung sämtlicher Menschheitsprobleme betrachtet wurde.

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Wenn einem Kinder in den 90er-Jahren wegen Umweltschutz und Ungerechtigkeiten aller Art auf den Sack gingen, kaufte man ihnen Schulhefte aus Recyclingpapier und verwies im Falle beharrlichen Insistierens auf den FCKW-frei-Kleber am Kühlschrank. Und man murmelte bei Bedarf immer noch etwas Schlechtgelauntes über Kinder in Afrika, die so was von froh wären. Fun Fact: In den 90er-Jahren konnte man Klima heißen und total entspannt österreichischer Bundeskanzler werden.

Braune Eier zu kaufen galt als ökologische Avantgarde.

 

Heute ist es mit Lippenbekenntnissen nicht mehr getan. Immer mehr E-Scooter-Fahrer und Zalando-Premiummitglieder sagen in aller Deutlichkeit: So kann es nicht weitergehen. Am Lebensstil der westlichen Welt muss intensivst geschraubt werden. Heißt fürs Erste: Zur vorweihnachtlichen Shoppingtour nach New York geht’s heuer nur mehr mit dem Segelboot. Und dann sehen wir beziehungsweise sieht halt Greta weiter.

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Eine künstliche Intelligenz hat schon einmal die korrekte Lebensform berechnet, die den Weiterbestand der Spezies Mensch für die nächsten 35 Jahre sicherstellen würde. Optimalerweise wird die Erde ab sofort nur mehr von veganen Selbstversorgern mit einer Wohnhöhle im südlichen Sibirien bevölkert. Garage ist dabei, aber natürlich nicht für einen SUV. Stattdessen ist die Taiga, so gibt es jedenfalls das supergescheite neuronale Netzwerk vor, auf der Suche nach essbaren Flechten und Kräutern überraschenderweise auf einem Bobbycar unsicher zu machen. Fred Feuerstein lässt auch bei der Haushaltsausstattung grüßen: keine Alexa, kein Smoothiemixer – ja nicht einmal ein Netflix-Account in illegaler Fünftnutzung ist mehr erlaubt.

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Wie die künstliche Intelligenz auf diesen Irrsinn kommt, versteht natürlich kein Mensch. Ein Komitee aus nobelbepreisten Experten und verschiedenen britischen Herzoginnen vermutet, es könnte um Verzicht als mögliche Lösung für diverse Probleme unserer Zeit gehen. Aber wie wahrscheinlich ist es bitte, dass ein so superintelligentes System eine derart blöde Idee empfiehlt?

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Weil wir gerade bei Naheliegendem sind: Was ich Ihnen anrate, ist ja sowieso etwas ganz anderes. Abonnieren Sie kosten- und papierlos meinen wöchentlichen Weltuntergangs-Newsletter unter jf-park.com.

 

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