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OKTOBER 2014

Essay

„Tu Quoque“

U2 gratis am iPhone oder wie sich die Großzügigkeit wieder einmal von ihrer hässlichen Seite zeigte.

D

as Leben schenkt einem nichts. Nur Apple, die packen dir gratis U2 aufs Handy. Mensch, das war ja mal eine Aufregung neulich, oder? Und das alles nur, weil Steve Jobsens Nachlassverwalter ein bisschen was auf 17 Milliarden iPhones draufgeladen haben. Ungefragt. Aber gratis. Cui bono, kann man da als Bildungsbürger nur fragen. Was übersetzt so viel heißt wie: Wem nützt Bono?

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Apropos Bildungsbürger: Bevor Sie jetzt als ebensolcher, und ich bin mir sicher, dass Sie gar nichts anderes sein können als ein weltgewandter Philantrop und Freund alles Schönen und Guten, schließlich statten Sie unserem leicht heruntergewirtschafteten Jahrmarkt der Humorkuriositäten hier einen Besuch ab – herzlich willkommen übrigens, zur Frau mit Bart geht’s rechts entlang –, bevor Sie, verehrte Leserin, geneigter Leser, also jedenfalls als Bildungsbürger oder so sagen: U2, ja, kenn ich, die fährt von Aspern zum Karlsplatz, lassen Sie sich doch bitte kurz erklären: U2, das ist eine Band aus Irland, sprich: eine Musikkapelle aus England. Eh fast schon wie die Rolling Stones, aber noch ohne Stützstrümpfe. Und wahrscheinlich nicht einmal halb so gut.

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Wobei, da muss man vorsichtig sein: Der U2-Fan ist der Dschihadist unter den Musikliebhabern. Wenn Sie zum Beispiel einmal ganz locker bei einem Bier festhalten: U2, das sind doch mittlerweile in erster Linie mächtig selbstzufriedene Rock-Opas, die nichts so sehr lieben wie sich selbst, oder Sie sagen: wenn ich einen Klangteppich möchte, dann geh ich nicht zu The Edge, sondern schau bei Teppichland und Fliesencity vorbei oder bei Orientteppiche Khomeini bei mir ums Eck, die hatten gerade den vierunddreißigsten Wasserschaden in zwei Jahren, dann jedenfalls heißt es aufpassen, denn nur allzu leicht wirft man daraufhin mit einer superpeinlichen Bono-Sonnenbrille nach Ihnen.

Musikalisch beunruhigt das neue U2-Album ein Wenig, technisch betrachtet macht es Angst.

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Aber jedenfalls: Musikalisch beunruhigt das neue U2-Album vielleicht ein wenig, technisch betrachtet macht es hingegen richtig Angst. Wenn die bei Apple gerade lustig sind, können sie also nach Belieben irgendeinen Scheiß praktisch direkt in die Hosentaschen dieser Welt einspielen. Weil heute ja alles in der Cloud liegt, damit man auch mit dem WLAN-fähigen Fahrradständer immer auf alle Fotos zugreifen kann. 

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Das muss man sich einmal vorstellen, bitte: Ein Apple-Mitarbeiter verliert beim Twisterspielen das Gleichgewicht, stolpert dann vielleicht vor seinen Hipster-Programmiererkollegen etwas herum, womit er zugleich einen neuen Tanz inklusive YouTube-Trend erfindet, und prallt schließlich mit dem Kopf an den Marketing-Hebel, und schon wird die halbe Menschheit mit Maria Currys Best-of-Album oder dem neuesten Abenteuer der Wanderhure beglückt, oder was? So war das ja wohl bitte nicht ausgemacht. Also, nicht, dass irgendjemand die Bitte-akzeptieren-Rotze jemals gelesen hätte. Aber das wäre ja von Apple schon nachgerade hinterhältig, wenn das alles wirklich drinstünde in diesen AGB-Dings.

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Klar ist auch: Apple ist schlimm, aber Google, Amazon und Perversenbedarf.de sind um genau nichts besser. Zuerst locken sie dich mit kostenlosen Diensten und günstigen Geräten, und wenn sie dann genug Daten gesammelt haben, nutzen sie das gnadenlos aus. Aber nicht mit uns Bildungsbürgern, oder? Weil abwaschbar gibt’s doch woanders auch.