r war zum Shooting-Star geboren. Der 1974 eingeführte Golf sollte nicht nur den damals bereits in die Jahre gekommenen VW Käfer beerben, sondern auch VWs finanzielle Zukunft sichern. Beide Übungen gelangen. Der Golf der ersten Serie wurde bis 1983 6,99 Millionen Mal ausgeliefert, und das obwohl, oder vielleicht auch weil er mit allem brach, was VW-Kleinwagenkäufer bis dahin gewohnt waren: Er verzichtete auf den im Käfer seit Jahrzehnten eingesetzten luftgekühlten Heck-Boxermotor samt Hinterradantrieb, ersetzte ihn durch einen wassergekühlten Vierzylinder-Reihenmotor mit Vorderradantrieb, sah eckig und damit so richtig geil nach neuer Zeit aus und stellte dabei trotzdem ausreichend Platz für vier zu Verfügung. So weit die guten Nachrichten.
Lust am spartanischen Autoleben.
Es gab auch Bad News: Auf eine ausreichende Rostvorsorge mussten vor allem die frühen 1er-Golf-Modelle verzichten. Eine echte Verbesserung kam erst mit dem Facelift ab August 1980 (an den breiten Rückleuchten erkennbar).
//Wer damals eine der Einstiegs-Versionen des Golfs wählte, benötigte zudem eine echte Lust am spartanischen Autoleben: Aschenbecher, rechte Sonnenblende und rechter Außenspiegel waren zwar in den meisten Modellen vorhanden, dafür fehlten serienmäßig: ein fünfter Gang, Bremskraftverstärker, Servolenkung, Kopfstützen hinten, Drehzahlmesser, Zentralverriegelung und ein Kassettendeck mit Rückspul-Taste. Gebräuchliche Sicherheitsfeatures, wie sie heute sogar für Kleinstwagen verpflichtend sind – Stichwort Airbag und ABS –, waren damals überhaupt nur in den teuersten Mercedes-Luxusmodellen zu finden und für einen Golf undenkbar.
VW Golf 1 Rabbit 1,1
VW Golf 1 Rabbit 1,1
Motor: Vierzylinder-Benzinmotor
Hubraum: 1.093 ccm
Getriebe: 4-Gang
Leistung: 37 KW / 50 PS
Höchstgeschwindigkeit: 145 km/h
Verbrauch: 9 Liter (Werksangabe)
Leergewicht: 780 Kg
Länge: 3,7 m (Vergleich VW Golf 7: 4,25 m)
Preis Testwagen (Stand Nov. 1982): 109.600 Schilling (7.965 Euro)
Hergestellt: von 1974 bis 1983 (als Cabrio bis 1993)
Schlussendlich sind das aber nur Details. Was wirklich zählt, ist das Fahrgefühl. Um dem nachzuspüren, durfte ein 6020-Team eine Zeitreise in einem gutbehüteten Golf 1 Rabbit Bj 1983 aus der Garage der VOWA Innsbruck antreten.
Verzicht macht cool.
Das erste, das auffällt, ist die für heutige Verhältnisse filigrane Karosseriestruktur des Golfs. Die Türen macht man zur Sicherheit zweimal zu, denn obwohl der erste Golf bis auf seine Rostanfälligkeit sehr robust gebaut ist, fühlt er sich nicht zwingend so an. Sitzt man dann drinnen, fällt sofort der typische Geruch auf. Wer je einen frühen Golf besessen hat, wird ihn sofort wiedererkennen, den leichten, nie vergänglichen Hauch von deutschem Plastik der Siebziger- und Achtzigerjahre. Ergonomisch findet man sich rasch zurecht, viele Knöpfe und Regler gibt es ja nicht, und das, was da ist, lässt sich gut erreichen. Die Sitze sind auch nach Jahrzehnten noch gut in Schuss, hier wurde bei Polsterung und Bezug nicht gespart.
Harte, ehrliche Arbeit.
Damit auch das Starten gut funktioniert, muss beim Golf ein Choke-Hebel gezogen werden. Aber Achtung: Wer vergisst, ihn wieder auf Null zurückzustellen, wird mit Horror-Verbräuchen weit jenseits der 10 Liter bestraft. Einmal in Fahrt, will der Golf dann bei Laune gehalten werden.
//Obwohl er ein echtes Fliegengewicht ist, braucht sein 50-PS-Motörchen viel Drehzahl, damit auch bergauf was weitergeht. Der Rest ist harte, ehrliche Arbeit: Lenkrad, Fenster und Bremspedal lassen sich nur mit erstaunlich viel Muskelkraft bedienen, da sie gerne auf Servo- und E-Unterstützung verzichten. Die Federung ist trotz Tendenz in Richtung Holprigkeit okay, lässt sich aber mit der Geschmeidigkeit moderner Fahrwerke nicht vergleichen. Ähnliches gilt auch für die Straßenlage.
Die Schaltung des 1er-Golfs hat noch einen weiten Weg bis hin zur Perfektion der aktuellen Getriebe vor sich, die Wege sind lang und nicht besonders präzise definiert. Ab 70 km/h wird der Golf laut, so laut, dass auch die seit den Achtzigern im Radio steckende Kassetten-Compilation „Maxi Hit Sensation“ ihre Mühe hat, über den Mono-Lautsprecher den Innenraum zu beschallen. Sollte man sich jetzt fragen, was denn dann das 1er-Golf-Fahren überhaupt für einen Sinn macht, hat man noch nicht verstanden, dass Coolness im Straßenverkehr meist auch eine gewisse Opferbereitschaft voraussetzt. Und cool ist der 1er-Golf. Wie sehr, das konnten wir an der Metro-Ampel im Olympischen Dorf erfahren: Da standen wir neben einem weißen 2010er Lamborghini Gallardo und die fröhlichen Blicke der zahlreichen McDonald’s-Gäste galten uneingeschränkt und ausschließlich: uns.
//Wer eine derartige Sternstunde des automobilen Lebens selbst einmal erfahren will, muss gar nicht so tief in die Tasche greifen: Ein schönes Modell aus der Facelift-Serie des Golfs 1 kann man bereits ab 5.000 Euro erwerben.