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DEZEMBER 2017

Die Philosophie des Ameisenbären

Musikfans, die schon immer wissen wollten, wie Death Blues klingt, sollten das Innsbrucker Trio Giant Anteater am Radar haben. 6020 bat zum Gespräch über ihr neuestes Werk, über Krafttiere und das Augenroll-Potenzial von Frauenquoten.

Foto: Franz Oss

„Bloß nicht wegtherapieren, den Wahnsinn.“

Felix
W

ie konnte sich der Bandname Slayer als Gröhl-Klassiker unter Rockfans etablieren und wie soll eine Band, die eben nicht Slayer heißt, auf diesen mitunter redundanten Publikumswunsch auf der Bühne reagieren? „Zum Beispiel mit einer Goa-Nummer“, finden Pia Unterlechner (Bassgitarre und Gesang), Felix Aschauer (Drums und Synths) und Martin Götsch (Gitarre) von Giant Anteater. Ihre Logik verwirrt zunächst.

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Deshalb muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass sich das Trio wirklich ungern in eine Schublade stecken lässt, ihr musikalischer Aktionsradius ist sehr, sehr weit. „Irgendwie ist der Slayer--Ruf zu einer Art Popkultur-Meme geworden, und wir haben mit Goa reagiert“, sagt Felix. Konkreter kann ein Bandcredo nicht manifest werden als mit einem derartigen Schockmoment. Dieser ist übrigens nicht allzu ernst gemeint. Vielleicht sogar ziemlich witzig. Verletzt wurde im Zuge des Stilbruch-Gigs jedenfalls niemand, die anwesende Crowd blieb und konnte die Darbietung der Innsbrucker sogar genießen. 

Make some Noise.

Giant Anteater haben nämlich einiges zu bieten: schönen, dreckigen Gitarrensound, rauchige Vocals, mal härtere, mal progressivere Rhythmen. Und eine gehörige Portion Experimentierfreude, die sehr hilfreich sein kann. So kam es, dass Martin sich gern mit elektronischen Effekten beschäftigt, gleichzeitig aber auch in härteren Klängen heimisch ist. „Es ist sehr spannend, Sounds selber zusammenzubasteln.

Rein theoretisch sind auch Geräusche einer Klospülung aufnehmbar – ein paar Effekte dazu und kein Mensch weiß, woher die Klänge ursprünglich kommen“, erzählt der Gitarrist.

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Für „Room of Existence“, einem Song mit diversen Überraschungsmomenten, nahm er beispielsweise Flugzeuglärm auf, der ins Werk hineingeflochten wurde. Im Grunde sind alle Geräusche interessant, die eine definierte Tonhöhe erreichen und einem bestimmten Rhythmus entsprechen – Hauptsache, sie passen zum Song. Und nein, Giant Anteater sammeln nicht Geräusche, weil ihnen Noten zu kommerziell sind. „Das Songwriting ist uns immer wichtiger geworden. Wir achten besonders darauf, dass die einzelnen Nummern vollständig sind“, erzählt Pia, die auch die Lyrics schreibt. Ob ein Giant-Anteater-Lied nun eher poppig oder doch lieber „straight“ klingen soll, wird erst im Entstehungsprozess klar. Pia: „Wir möchten uns stetig weiterentwickeln. Die Vorstellung, in zehn Jahren vielleicht Arien zu schreiben, mögen wir sehr.“

Live erprobt.

Wenn das Trio im selben Tempo wie bisher weitermacht, könnten sie genanntes Ziel auch erreichen. Gelungen ist ihnen seit der Bandgründung im Jahr 2015 nämlich schon einiges:

„Die Vorstellung, in zehn Jahren vielleicht Arien zu schreiben, mögen wir sehr.“

Pia

 

Die Band weiß Kollegialität und das große Engagement ihres Netzwerks sehr zu schätzen. Doch wie steht es um die Inspiration, die Motivation hinter der Musik? „Es gibt viele Musiker, die ihre Kunst sozusagen als Therapie nutzen. Für mich ist es aber nicht so. Ich kann meinen Beitrag nur leisten, indem ich jederzeit Zugang zu meinem Fundus an Wahnsinn habe. Es ist ein Lernprozess, den man nie gewinnen kann, weil er immer weitergeht“, findet Martin, während Pia den Gedanken fortsetzt: „Beim Spielen geht es nicht nur um Gefühle, die man ausdrücken möchte, sondern vielmehr darum, sich selber zu pushen, vor allem, wenn man einen Song zum hundertsten Mal spielt.“ Thematisch beleuchten die Songs alles, wozu Menschen im Guten und Schlechten fähig sind, als Opfer und Täter. Dann fasst Felix kurz und bündig zusammen: „Bloß nicht wegtherapieren, den Wahnsinn.“ 

Teamwork und Krafttiere.

Dass Pia als Frontfrau zusätzlich auffällt, sorgt bei der Band für gemischte Gefühle. Warum sollte es heutzutage noch ungewöhnlich sein, als Frau harte Rockmusik zu machen oder überhaupt zu konsumieren? „Zu unseren Konzerten kommen Männer wie Frauen. Ich mag diese Vielfalt. Uns fällt die vermeintlich außergewöhnliche Besetzung erst auf, wenn wir darauf angesprochen werden. In der Szene wurde ich als Frau auch nie ungerecht behandelt“, sagt die Sängerin.

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Es wäre in der Tat unfair, die Qualitäten einer Band wie Giant Anteater „nur“ auf den weiblichen Lead zurückzuführen. Wenn man sich auf den Sound konzentriert, ist es letztendlich irrelevant, von wem er stammt. „Das ändert nichts an der Tatsache, dass er gut sein muss. Und gelingen kann er nur, wenn die Zusammenarbeit aller Beteiligten menschlich, kreativ und musikalisch-technisch zusammenpasst“, findet das Trio.