Warum rappst du? Fiva: Ich hab früher Ballett getanzt und bin schon immer sehr musikaffin gewesen. Irgendwann fing ich an, amerikanischen Rap zu hören, da alle meine Freunde das taten. Und 1995 ging ich zum ersten Mal auf eine Jamsession in München. Rap hat mich damals voll erwischt und ich habe mir gesagt: „Das ist es jetzt!“ – und das ist es bis heute geblieben.
Wie siehst du die Entwicklung des Raps in den letzten Jahren? Ich finde es toll, dass sich so viel getan hat. Als ich angefangen habe zu rappen, da durfte man nur cool sein, Daunenjacken tragen, Underground sein und keine Liebeslieder schreiben. Mittlerweile ist Rap so erfolgreich wie noch nie. Ich finde es schön,
dass Rap in der Popkultur angekommen und aufgegangen ist.
Du hast in einem Interview einmal gesagt, dass du „in Sprache verliebt“ seist. Hast du keine Angst, dass dir irgendwann die Wörter ausgehen? Egal, was man arbeitet, letztendlich wird es wohl immer wieder einmal ein Tief geben. Aber ich habe keine Angst vor dem leeren Blatt, da ich weiß, dass ich das kann. Trotzdem bedeutet es viel Arbeit: Es ist nicht immer alles so super, romantisch, künstlerisch. Manchmal ist es katastrophal und dann sitze ich den ganzen Abend vor dem Blatt. Aber es passiert schon irgendwann wieder etwas. Natürlich ist nicht immer der Anspruch da, einen Text sofort rauszuschreiben und zu sagen: Das ist ein Meisterwerk. Mittlerweile weiß ich aber, wann ein
Text fertig ist und wie ich ihn hören möchte – das ist die Arbeit des Künstlerinnendaseins.
Du sagst, du holst deine Inspiration aus dem Alltag, vor allem durch das Beobachten von anderen Leuten. Ist der Alltag nicht fad? Das Leben der meisten dreht sich doch um wenige Dinge. Aber gerade dies ist ja das Spannende: Wie konstruieren die Menschen das? Der Alltag ist ein tolles Feld für die Recherche. Ich kann mir ja verschiedene Alltagsstrukturen anschauen, da ich immer auf Reisen und selten zu Hause bin. Deshalb kann ich die Menschen viel stärker und anders beobachten. Meine Gedanken hierzu muss ich mir aber selber machen. Selbst ich habe eine gewisse Lebensweise: Reisen ist mein Alltag.
„Ich nenne Menschen ungern Fans – da fehlt mir die Augenhöhe.“
Ist das viele Herumreisen nicht anstrengend? Das Reisen ist nicht mein Favorit. Aber ich bin keine, die sich andauernd beschwert – ich habe mir das ja ausgesucht. Und ich sehe dabei immer meine Band und die ist die beste der Welt – die sind schon fast wie Familie. Sicher gibt es Durststrecken, wo es mir reicht. Andererseits gibt es auch Phasen, bei denen es sofort weitergehen kann. Da geht es vielen Menschen in ihren Berufen wahrscheinlich nicht anders.
Du bist Mitbesitzerin des Musiklabels Kopfhörer Recordings. Dieses habt ihr 2005 gegründet, zu einer Zeit, in der viele gemeint haben, die Branche geht den Bach runter. Ist es heute schwierig, Musik zu verkaufen? Musik spielt immer eine Rolle. Nur die Art und Weise, wie die Leute Musik kaufen, verändert sich. Wir haben das Glück, dass unsere Unterstützer auch bei uns bleiben, sich mitentwi-
ckeln, aber trotzdem noch Schallplatten und CDs haben wollen. Wir bringen unsere Sachen weiterhin selber raus – für uns gibt es da keine Alternative.
Also, eure Fans wachsen mit euch mit? Ja. Ich nenne die Menschen aber ungern Fans – da fehlt mir die Augenhöhe. Wir produzieren etwas Musikalisches. Und Menschen, die unsere Musik kaufen, machen es erst möglich, dass wir wieder produzieren können. Das ist ein ganz normaler Kreislauf: Wenn keiner unser Album kauft, was sollen wir dann machen? Wir haben ja nicht selber das Geld. Es gibt uns, es gibt Fiva, es gibt Leute, die die Sachen kaufen. Nur so funktioniert das alles, und wenn einer aussteigt, dann ist der Kreis gebrochen.
Du arbeitest auch mit Jugendlichen. Was versuchst du da zu vermitteln? Einmal im Jahr arbeite ich mit Mädchen, die die Hauptschule
nicht schaffen. Die können teilweise besser schreiben als Gymnasiasten, weil sie vom Herzen schreiben. Ganz viele dieser Mädchen sind einfach klug, aber leider fördert sie niemand. Ihnen versuche ich beizubringen, dass sie nicht alles mit sich machen lassen dürfen. Und ich glaube, ich lerne von denen mehr, als sie von mir. Das sind tolle Frauen – die haben es nicht leicht, sind aber super.
Wo siehst du dich in zehn Jahren? Wir würden gerne die Klassik erobern (lacht). Nein, ich würde weiter gerne Musik machen, und das, was wir bisher gemacht haben, weiter ausbauen. Aber zehn Jahre ist echt eine lange Zeit – mal sehen.
Vielen Dank für das Gespräch.
„Es ist nicht immer alles super, romantisch, künstlerisch. Manchmal sitze ich den ganzen Abend vor dem Blatt.“