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JÄNNER 2020

Kojen und Kunst

Eine Handvoll Freunde mischt den Stadtteil St. Nikolaus auf: Zuerst wurde das Lokal John Montagu eröffnet, vor Kurzem noch ein Hostel mit hippen Kojen. 6020 war am Eröffnungswochenende vor Ort.

Foto: Axel Springer
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as Sprichwort „Viele Köche verderben den Brei“ trifft nicht immer zu. Es sind nämlich gleich sechs Freunde, die sich vor drei Jahren zusammengetan haben, um in Innsbruck gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen – zuerst das Lokal John Montagu, jetzt das dazugehörige Hostel. Joris ist mit seinen 28 Jahren das Küken der Gruppe, unter anderem fürs Marketing zuständig und so etwas wie der „Sprecher“ des Montagu-Kollektivs. „Es ist so: Die einen wollten eine Bar, die anderen ein Hostel, jetzt haben wir eben beides“, lacht der Vorarlberger mit holländischen Wurzeln.

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Vor drei Jahren gingen fünf junge Männer und eine Frau, alle daheim in Innsbruck, auf Immobiliensuche. Gleich das erste Objekt, das sie sich angesehen haben, war das richtige. Das Haus in der Höttinger Gasse 7, das einige Zeit einen Swingerclub beheimatet hatte. „Die Vermieterin war zunächst erstaunt über unsere Ideen, gemessen an unserem Alter, aber hat gemeint, so etwas hatte sie immer schon im Kopf“, erzählt Joris.

Ehemaliger Swingerclub.

Nach nur zweimonatiger gemeinschaftlicher Umbauarbeit wurde 2016 das Lokal John Montagu eröffnet. Zunächst hatte das Sextett keine Idee für einen Namen, daher war es in der Anfangszeit das Lokal ohne Namen. „Und dann kam irgendwie die Idee mit John Montagu, das war der Erfinder des Sandwichs“, erklärt Joris. Sandwiches werden im John Montagu nämlich auch angeboten. Im Erdgeschoß ist ein Café im Upcycling-Stil eingerichtet, unten warten ein rustikales Kellergewölbe und eine Bar. 

„Die einen wollten eine Bar, die anderen ein Hostel, jetzt haben wir eben beides.“

Joris Doorn, Montagu-Kollektiv
Kojen und Kunst

Kunstvoll: Heimische Kunst findet sich überall.

Kojen und Kunst

 

Ganz so chillig wie heute ging es nicht immer zu. Die Vorbesitzer führten einen Singerclub bzw. Sado-Maso-Schuppen, in dem, so hört man, „alles erlaubt” war. Bei der Übernahme fanden die Freunde noch kleine Käfige vor, außerdem ein Kreuz, an dem man sich aufhängen lassen konnte, und kleine Separees. „Ab und zu kommen noch ältere Männer rein und wundern sich, wie es hier jetzt aussieht. Wir müssen ihnen dann erklären, dass das jetzt kein Swingerclub mehr ist“, schmunzelt Joris. Stattdessen finden jetzt im Kellergewölbe unterschiedliche Kulturveranstaltungen statt: Konzerte, Filmpräsentationen, Lesungen oder auch Ausstellungen, oft mit Bezug zur jungen Szene Innsbrucks.

Hippe Herberge.

Alle im Sextett sind zwischen 28 und 31 Jahre alt. Nur einer hat als Villa-Blanka-Absolvent das Dasein als Gastronom tatsächlich erlernt, drei sind Architekten, Joris ist Geografie-Student und die einzige Frau in der Gruppe hat Wirtschaft studiert. Da das Lokal gut läuft, begann im Jänner 2019 das nächste Projekt: Das Montagu-Kollektiv pachtete das gesamte Haus, vom Gewölbekeller bis zum Dachboden und begann die Wohnungen in ein Hostel mit 30 Betten umzugestalten. „Uns fehlte in Innsbruck ein cooles Hostel, wie wir es auf unseren Reisen kennengelernt haben. Deswegen haben wir selbst eines gebaut“, lacht Joris. Alle sechs sind viel auf Reisen und übernachten gern in Low-Budget Unterkünften. In der Planungsphase haben sie sich daher überlegt, wie sie selbst gerne übernachten und was ihnen bei ihren bisherigen Hostel-Übernachtungen gefehlt hat. Damit auch in einem Hostel ein wenig Privatsphäre bleibt, wurden Kojen mit Vorhängen gezimmert. Außerdem gibt’s nicht nur Mehrbettzimmer, sondern auch ein Zweibettzimmer. 

„Uns fehlte in Innsbruck ein cooles Hostel, deswegen haben wir selbst eines gebaut.“

Joris Doorn
Kojen und Kunst

Vielfalt: Das Angebot reicht vom 2-Bettzimmer bis zum 6-Bettzimmer

Kojen und Kunst

 

Jede Koje hat verschließbare Fächer sowie eine Steckdose und ein Licht. „Wenn wir Stahl-Stockbetten in die Zimmer gestellt hätten, wäre alles einfacher und schneller gegangen, aber das wollten wir nicht“, erklärt Joris. Jedes der drei Stockwerke ist ein wenig anders gestaltet. Das liegt daran, dass sich die Montagus die jungen Architektenkollektive Krater Fajan und Studio Magic als Planer an Bord geholt haben. Diese durften sich jeweils auf einem Stockwerk kreativ austoben. Eine einheitliche Linie gibt es dennoch, mit den zwei Hauptmaterialien Holz und Stahl. Wie schon im Lokal, wurde auch dieses Mal so gut wie alles in Eigenregie gezimmert. „Sogar die Pölster in den Sitzecken haben wir selbst genäht“, lacht Joris. Verschönert wird das Hostel mit Bildern und Kunstwerken von jungen heimischen Künstlern. „Das Hostel soll auch eine Art Ausstellungsfläche sein, wir sind offen für weitere Kunst“, erklärt Joris.

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Auch der Umweltgedanke ist im Hostel allgegenwärtig. „Wir machen unser Waschpulver selbst und mit Sprüchen an der Wand machen wir darauf aufmerksam, wenig Wasser zu verbrauchen“, erklärt Joris. Ein Name war dieses Mal schnell gefunden: Montagu Bed & Beers heißt das neue Hostel. „Frühstück gibt’s keines, aber dafür eine Gemeinschaftsküche und natürlich Bier in unserem Lokal im Erdgeschoß“, meint Joris. Das Lokal, das seit kurzem nur mehr Montagu heißt, dient gleichzeitig als Rezeption für das Hostel.

 

„Wenn wir Stahl-Stock­betten in die Zimmer gestellt hätten, wäre alles einfacher und schneller gegangen.“

Joris Doorn
Kojen und Kunst

Gemeinschaftsküche: Ein reger Austausch ist erwünscht.

Kojen und Kunst

Cooler Start.

Am Eröffnungswochenende war das Haus voll mit jungen Skateboardern aus der ganzen Welt. Es war gerade ein Skateboard-Contest in der Stadt. Sean ist 22 Jahre alt und wohnt in Israel: „Das Hostel übertrifft meine Erwartungen, die Innenarchitektur ist außergewöhnlich.“ Adriel aus Spanien macht sich gerade in der Gemeinschaftsküche ein Rührei und lobt: „Das ist das beste Hostel, in dem ich je war. Aber nicht nur wegen der Einrichtung, sondern auch wegen der Menschen.“ Sean pflichtet ihm bei. Der junge Israeli macht sich gerade auf den Weg, um Snowboarden zu gehen: „Simona, eine der sechs Betreiber, hat mir angeboten, mir ihre Snowboardausrüstung zu leihen. Ist das nicht erstaunlich, in welchem Hostel gibt’s denn sowas?!“

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Sportler dürften auch die Zielgruppe des neuen Hostels sein. „Wir kommen ja selbst aus der Sportszene, sind Snow-boarder, Biker und Kletterer, da ergeben sich einfach viele Möglichkeiten“, erklärt Joris. Das Hostel arbeitet mit Veranstaltern von Sportevents zusammen und freut sich, dass es bereits jetzt so viele Buchungen gibt. „Im Jänner ist beispielsweise ein Snowboardevent für Mädchen in der Stadt, da sind wir jetzt schon voll“, erzählt Joris.

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Es gibt einen internen Dienstplan, so gut wie immer ist einer der sechs im Haus, zusätzlich helfen Angestellte. Weitere große Pläne haben die sechs nicht. „Das Ganze ist ein Lifetime-Projekt und momentan ist es perfekt, so wie es ist“, freut sich Joris. Auch die Gruppe soll so bleiben, wie sie ist, sie wollen nicht mehr und nicht weniger werden. „Sechs auf einen Haufen ist nicht immer ein Zuckerschlecken, aber wir finden immer einen Weg“, lacht Joris.