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JÄNNER 2020

„Kein Kunsttempel, aber ein Kunsthaus“

Seit November 2019 ist Peter Assmann Geschäftsführer der Tiroler Landesmuseen. Was wird 2020 für Ferdinandeum und Co bringen? Ein Gespräch über Kunstvermittlung als Event, vermeintlich fade Portraitbilder und antiquierte Grenzbegriffe.

Foto: Axel Springer
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Sie sind nun seit mehreren Wochen im Dienst. wie läuft die Anfangsphase? Peter Assmann: Ich kenne das Haus von früher. Hier habe ich im Rahmen meines Studiums mit Günther Dankl und Silvie Falschlunger ein Forschungsprojekt betreuen dürfen. Dabei ging es um die französische Kulturpolitik in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg, 1991 gab es auch eine Ausstellung dazu. Durch meine Tätigkeit als Präsident des Österreichischen Museumsbunds (von 2002 bis 2012, Anm.) war ich auch öfter im Haus. Ich bin also kein Unbekannter. Die genauen Herausforderungen lerne ich aber jetzt im Tun kennen.

 

Welche Aufgaben stehen denn an? Ganz allgemein braucht’s ein klares Grundkonzept für alle fünf Häuser. Die Kunst gehört beispielsweise zum Grundkonzept des Ferdinandeums. Im Gegensatz dazu hat das Zeughaus den Schwerpunkt Tiroler Kulturgeschichte und wird genau in diese Richtung weiterentwickelt. Es hat ja bereits durch das vergangene Maximilianjahr einen Schub bekommen, vor allem durch die Öffnung auf den Dachboden. Ich kann noch nicht zu viel verraten, weil es noch genauer ausgearbeitet werden muss, aber das Zeughaus braucht eine Kontinuität der Ausstellungen, ein attraktiveres Areal. Familienfeste oder das Sommerkino sind wesentlich. Wir möchten aber auch die Inhalte des Zeughauses noch mehr nach außen tragen. 

„Die Kunst gehört zum Grundkonzept des Ferdinandeums.“

Peter Assmann

 

Und bei den anderen Häusern? Dann haben wir das Tirol Panorama, das sich ebenso ganz stark mit Tirols Geschichte und Geschichtsbild beschäftigt – es könnte also enger auf das Zeughaus abgestimmt werden. Das Volkskunstmuseum und die Hofkirche bilden eine Einheit für sich. Wobei Volkskunst nie ausschließlich retrospektiv betrachtet wird. Heute könnten wir hier von angewandtem Design sprechen, wie es sich über viele Jahrhunderte und Bevölkerungsschichten entwickelte. Wir werden darauf achten, unsere Sammlungen in dieser Hinsicht aktuell zu halten. 

 

Was muss das Ferdinandeum als modernes Kunsthaus können? Eine größere Vielfalt an Vermittlungsangeboten für möglichst jede Zielgruppe bereithalten. Spezifische Stärken ausarbeiten. Bisher wurde eine exzellente Arbeit gemacht, Konzepte wie der Freitag-Aperitif funktionieren sehr gut. Ich möchte aber noch eine Art Semitransparenz einfordern: Ein Kunsthaus muss kein Kunsttempel sein, in den man über viele Stufen muss, durch ein hohes Tor eintritt, um sich dann klein vorzukommen, oder wo man andächtig sein muss. Allerdings stößt man da bald an räumliche Grenzen. Es sollte aber unbedingt ein Veranstaltungsraum geschaffen werden, womit wir beim Thema Neubau wären. 

 

Gibt es da schon ganz konkrete Pläne? Ja, es gibt mehrere Varianten, die aber noch von politischer Seite abgesegnet werden müssen. Da die Fassade denkmalgeschützt ist, geht es konkret um einen schmalen, seitlichen Zubau, der die Eingangssituation neu definiert, und um einen Veranstaltungssaal am Dach. Zurzeit strebt der Mensch sehr nach oben.

„Kein Kunsttempel, aber ein Kunsthaus“

Bildnis eines Superstars:
Claudio Monteverdi von Bernardo Strozzi.

„Kein Kunsttempel, aber ein Kunsthaus“

Thomas Feuersteins „FUTUR II“ ist aktuell im Ferdinandeum zu sehen.

„Kein Kunsttempel, aber ein Kunsthaus“

Rames Najjars „Der fragile Raum“ ist Teil der Sonderausstellung „Schönheit vor Weisheit – Weisheit vor Schönheit“ .

„Wir werden darauf achten, unsere Sammlungen Aktuell zu halten.“

Peter Assmann

 

Am Dach des Ferdinandeums einen Aperol spritz zu genießen, klingt schon sehr cool. Aber ist die Inszenierung nicht zu banal? Die Gegenwart der Museumsarbeit ist ganz klar eventorientiert. Ein Event ist ein Ereignis, an dem Menschen zusammenkommen, das verschafft Aufmerksamkeit. Wenn dadurch bestimmte Inhalte an neue Menschengruppen herangetragen werden, ist es per se nichts Schlechtes. Es ist eine Frage der Qualität.  

 

Wie kann ein Umbau dazu beitragen, Kunst besser zu erklären? Indem sich der Zugang auch räumlich öffnet. Es ist gut, so ein Haus betreten zu können, ohne gleich Eintritt zahlen zu müssen. Wo man ein bisschen flanieren und sich informieren kann, sich vielleicht ins Café hockt und trotzdem schon Inhalte mitnimmt. Oder indem etwa Ateliers des Museums von außen sichtbar werden. 

 

Und inhaltlich? Da erhebe ich nicht den Anspruch, ein abgeschlossenes Geschichtsbild im Bereich der Kunst zu vermitteln, sondern bearbeite verschiedene Inhalte quasi als Themeninsel, etwa rund um ein bestimmtes Werk oder eine Epoche. Aber immer mit einer gewissen Veränderbarkeit. Nur Jahreszahlen auswendig zu lernen, sich Persönlichkeiten merken zu müssen, ohne zu wissen, warum sie so besonders waren, ist zu fad und statisch. Geschichte ist ein dynamischer Prozess. Es ist schon wichtig, Dinge zuordnen zu können oder Strukturen zu verstehen. Das muss aber spannend sein, überraschen, zum Wiederkommen anregen, weil‘s angenehm ist. 

 

Können Sie hier ein Beispiel nennen? Mein Lieblingsbeispiel dazu ist folgendes: Ein Portrait eines schwarz gekleideten, interessiert dreinblickenden Mannes. Der Maler heißt Bernardo Strozzi, was zunächst nicht besonders vielsagend ist. Dann kommt noch ein Name: Claudio Monteverdi. Der auch nicht jedem was sagt. Wenn man aber erzählt, dass dieser Mann die erste Oper der Menschheitsgeschichte geschrieben hat, dass sie noch heute aufgeführt wird, weil ihre Formen jahrhundertelange Gültigkeit haben, und dass dieser Mann im 17. Jahrhundert eine gute Karriere hingelegt hat und hier in Innsbruck das einzige Portrait zu sehen ist, das es überhaupt von diesem Typen gibt, wird’s interessant. Solche Geschichten muss ich rundherum erzählen können. Und Innsbruck hat einen großen Schatz, der spannend inszeniert werden soll.

„Es sollte unbedingt ein Veranstaltungsraum im Ferdinandeum geschaffen werden, womit wir beim Thema Neubau wären.“

Peter Assmann

 

Womit Einheimische und Besucher angesprochen werden … Natürlich. Wir haben sehr viele italienische Touristen, die gehören besser angesprochen. Tirol hatte immer eine Brückenfunktion zwischen Nord und Süd. Als Institution haben wir immerhin fast hundert Jahre lang das gesamte Tirol besammelt, das damalige Deutsch- und Welschtirol. Die Sprache war nicht der Identitätsträger der Nation, sondern das Territorium. Eigentlich ein spannender und zukunftsfähiger Gedanke: Er steht für einen vielfältigen Austausch unterschiedlicher Erscheinungsformen, die über ein Land und dessen Spezifika, etwa die Bergwelt, zusammengehören. 

 

Und Nationen oder Grenzen werden dabei obsolete Konstrukte? Obsolet und absurd! In den vergangenen Jahren wurde ich in Mantua mit Italiens unappetitlicher, populistischer Kulturpolitik konfrontiert. Dabei lebt das Land in großen Brocken vom Tourismus, vom dortigen Weltkulturerbe, wofür es auch viel Geld nimmt, um aber dann „Prima gli Italiani“, also „Italiener zuerst“, zu skandieren. Da werden Emotionen hochgekocht.

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Ich lerne gerade alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Tiroler Landesmuseen kennen. Was wir da für eine Vielfalt haben, ist einfach toll! Leute aus Japan, den Philippinen, Spanien, Italien, Deutschland, Bulgarien, Ungarn … Die bringen Kompetenzen mit, schöner geht’s fast nicht.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Für Eisenbahnfans:

Zum Thema „Wegbereiter“ läuft im Kaiserjägermuseum eine Sonderausstellung zu den technischen Leistungen der österreichisch-ungarischen Eisenbahntruppe. Bis 16. Februar.

Zum 350. Jubiläum

der Uni Innsbruck ist noch bis 1. März die Ausstellung „Schönheit vor Weisheit – Das Wissen der Kunst und die Kunst der Wissenschaft“ im Ferdinandeum zu sehen.

Zur Person: 

Peter Assmann (56) 

wurde in Zams geboren. Der Kunsthistoriker war zuvor schon Direktor der Oberösterreichischen Landesmuseen und als bildender Künstler Mitglied des Wiener Künstlerhauses. 2015 kam er nach Mantua und leitete den dortigen Palazzo Ducale. Nachdem eine modernisierende Reform der Vorgängerregierung von der populistischen Lega-5Sterne-Regierung wieder gekippt wurde, verließen ausländische Direktoren namhafter Häuser Italien, mitunter auch unfreiwillig. 

 

Nach einem Verwaltungsgerichtsverfahren bestätigte der italienische Staatsrat ihn zwar in seiner Funktion, Assmann nahm aber das Angebot in Innsbruck dankend an. „Passend dazu haben wir 2020 einen Schwerpunkt auf Goethes Italienreisen“, sagt der Direktor mit fast augenzwinkern. Dabei soll es um typische Kitschbilder, die es in Wirklichkeit nicht gibt, und ums Hinterfragen von Konstruktionen gehen.