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APRIL 2015

Essay

Hintrisch, Alpen, Adria ... Kärnten ist anders

So nah und doch so fern. Zu keinem österreichischen Nachbarn hat Tirol ein zwiespältigeres Verhältnis als zu Kärnten. So fremd hier mitunter das Alemannische der Vorarlberger wirkt, so rivalisierend manch Verhältnis zu den Salzburgern erscheint, so seltsam vertraut und doch entrückt mutet das südlichste Bundesland an – mit dem wir zwar einiges teilen, von dem wir uns aber noch mehr abgrenzen. Nicht erst seit Haider, Heta und Hypo Alpe Adria. Kärnten ist anders.

E

s wirkt bezeichnend, dass beide Routen über das Ausland schneller von Innsbruck nach Klagenfurt führen als der Weg über den Felbertauern. Es ist typisch, dass dorthin die längste Strecke in der kürzesten Dauer zu bewältigen ist. Und es erscheint kaum als Zufall, dass die nördliche Parallele über Deutschland rascher ans Ziel führt als die südliche Verbindung durch Italien. Denn es trennt mit einer Schneise seines Staatsgebiets ungeachtet ihrer Südtiroler Prägung die österreichischen Landesteile.

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9,5 Kilometer lang ist der Streifen im Ahrntal, der Osttirol seit 1918 zur Intra-Austro-Enklave stempelt – ohne Bodenbindung zum Stammland, mit der kürzeren Innengrenze zu Salzburg und

der längeren zu Kärnten, wo auch der Gipfel des Großglockners liegt. Das Eifern um Österreichs höchsten Berg ist eine von vielen Rivalitäten, die Tirol zu seinen Gunsten entschieden glaubt – weil landeseinheitlich statt staatsgetrennt betrachtet der Ortler (3.899 m) um 101 Meter höher als der Glockner ist.

Erst 1968 von Tirol überholt.

Doch die topographischen Eigenheiten erklären so wenig wie die historischen Gemeinsamkeiten vor 700 Jahren unter den Grafen von Görz-Tirol die Konkurrenz der beiden Länder, bei der Kärnten nicht immer Zweiter war. Bis 1968 hatte es mehr Einwohner als der Nachbar im Nordosten. 

tirol verfügt über viermal so viele nächtigungen wie kärnten, ungeachtet von dessen zahlreichen seen.

Die Rotjacken dagegen, Österreichs Rekordmeister aus Klagenfurt, erleben erstmals seit 42 Jahren wieder einen SP-Bürgermeister: Maria-Luise Mathiaschitz ist neben Innsbrucks Christine Oppitz-Plörer die einzige Frau, die eine Landeshauptstadt regiert. 

Uni-Stadt und Stadt mit Uni.

Doch so unvergleichlich das Verhältnis von Tirols größter und zweitgrößter Stadt Kufstein (18.000, ein Siebtel Innsbrucks) mit Kärntner Zuständen ist, so verschieden sind die beiden Regionalmetropolen. Hier die 346 Jahre alte Leopold-Franzens-Universität, dort die gerade vier Dekaden zählende Alpen-Adria-Uni: Das ist nicht nur ein Unterschied von fast 30.000 zu rund 10.000 Studierenden, von geballtem MCI und einem Teil der FH Kärnten. 

Es ist vor allem die Integrationskraft der traditionellen Universitätsstadt im Vergleich zu einem Landesverwaltungszentrum mit Hochschule, die Innsbruck so anders macht als Klagenfurt – auch wenn die Kommunen ohne ihre Unis ähnlich groß wären.

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Kärnten im Allgemeinen und seine Hauptstadt im Besonderen haben nicht den Anschluss verloren: Sie wirken, als hätte es einen solchen – auch nicht vor den Jahren unter Jörg Haider – nie gegeben. Infrastrukturell seit jeher benachteiligt, braucht es von Innsbruck auch im Auto fast so lang nach Klagenfurt wie nach Wien; mit dem Zug ohnehin länger. Tirol verfügt über viermal so viele Nächtigungen

langfristig betrachtet liegt im bewusstsein für den nachholbedarf die grösste chance von kärnten, insbesondere mit seinen nachbarn salzburg und tirol.

Doch so „hintrisch“ (kärntnerisch für „rückwärts“) gewandt dort auch noch vieles wirkt, im Süden zeigen sich auch die positiven Facetten des Nachzügelns: Abgesehen vom Ausnahmefall Wien haben Kärnten im Allgemeinen und Klagenfurt im Besonderen die höchsten Maturantenquoten, den größten Prozentsatz an Studienanfängern, die stärkste Bildungsbeteiligung von Jugendlichen im Bundesvergleich. Die Einsicht, dass es so nicht weitergehen kann, zeigt sich nicht nur an den gewandelten parteipolitischen Verhältnissen. 

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Langfristig betrachtet liegt im Bewusstsein für den Nachholbedarf die größte Chance von Kärnten, 

insbesondere mit seinen Nachbarn Salzburg und Tirol, denen es letztlich ja doch mehr gleicht, als diese akut wahrhaben wollen. Dass sie am Südabhang der Alpen etwas anders sind, sollten wir aus dem Innenvergleich unserer Landesteile wissen. Hier totale Protestantenvertreibung, dort evangelisches Refugium: Auch das hat eine andere Parteienentwicklung in Kärnten bewirkt, wo Rot und Blau sogar auf dem Land vielfach Funktionen haben, die uns zutiefst schwarz erscheinen.

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Doch nicht zuletzt durch die fremd verursachte bis selbst gewollte Abkapselung Tirols liegt die traditionelle Weiterorientierung