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JULI 2015

Essay

Urbane Sensoren

Blau, blau, blau blüht nicht nur der Enzian – und die Erstarkung der Freiheitlichen in der Steiermark wie im Burgenland ist keineswegs bloß ein rurales Phänomen. Doch im urbanen Raum gibt es nicht nur einen Dreikampf. Neben Rot, Schwarz und Blau drängen hier auch noch die Grünen an die Spitze. Ihr erster Bürgermeistersessel in einer Großstadt rückt in Reichweite.

K

lagenfurt hätte ausnahmsweise Vorreiter sein können. Denn durch eine Nominierung des populären grünen Umweltlandesrats Rolf Holub zum Bürgermeisterkandidaten wäre die Wahl dort zum Dreikampf mit ungewissem Ausgang geraten. Doch die Personalentwicklung ist auch bei den kommunikativ professionalisierten Ökopaxen keine Stärke. Also regiert am Wörthersee die Ärztin Maria-Luise Mathiaschitz als erste rote Bürgermeisterin eines Landeshauptortes, während die Blauen hier ihre letzte solche Bastion verloren haben. Christian Scheider, einst Jörg Haiders Tennislehrer, ist nur noch Vize. 

Holub, der gelernte Kabarettist aus der Landesregierung, blieb bloß Beobachter – des externen wie auch der internen Matches. Die Grünen sind sich vielfach auch nicht grün und spielen längst die basisanarchistische Variante der altbekannten Steigerung Gegner-Feind-Parteifreund.

Blickpunkt Wien? Brennpunkt Wels!

Nun fehlt zwar Klagenfurt – neben ein paar anderen Eigenheiten – mit 97.827 Einwohnern immer noch ein Dorf der Größe Kematens, um der 128 Jahre alten statistischen Definition von Großstadt zu entsprechen. Aber der Gemeindechef in Österreichs sechsgrößter Kommune war bis 15. März die höchstrangige Nummer-1-Regierungsfunktion für die FPÖ. 

„Ab 2017 heisst es für die grünen: jetzt geht’s los.“

Anders als in der Steiermark und im Burgenland, wo sie es mit sechs Prozent nur knapp in die Landtage schaffen, sind sie im Herbst jedoch zumindest ein regionales Koalitionsthema. Ihr Bemühen um Regierungsfähigkeit auf hohem Niveau verdeckt ihre noch größeren Chancen auf den Ebenen darunter – vor allem in den weiteren Großstädten. In Linz beginnt’s damit aber nicht. In der drittgrößten Kommune hatten sie 2009 erst 12,3 Prozent. Bei der Nationalratswahl 2013 holten sie hier allerdings schon 17,1 Prozent.

Erst Graz, dann Innsbruck.

Wenn dieser bundesweite Urnengang ein lokales Zukunftsindiz sein sollte – 

wie er es regional mit einer relativen blauen Mehrheit in der Steiermark war, dann heißt es ab 2017 für die Grünen: „Jetzt geht’s los“. Denn dann wählt Graz, und 2018 folgt Innsbruck: Da wie dort waren sie bei der Nationalratswahl 2013 schon die stärkste Partei – in der Tiroler Landeshauptstadt mit 24,2, in der steirischen mit 21,7 Prozent. Letzteres überraschte nicht nur angesichts der blauen Dominanz im Land, sondern aufgrund der jüngsten Gemeindeergebnisse: Nach dem Platzen der Koalition mit der ÖVP hatten sie dort 2012 nur 12,1 Prozent geholt und waren bloß die fünftstärkste Kraft. 

„falls alles nach dem regulären wahlkalender läuft, wird innsbruck 2018 der politische hotspot österreichs.“

Die Bürgermeisterin ist der stärkste Trumpf der bürgerlichen Abspaltung, die schon per Koalition mit Rot und Grün den Anfang vom Ende der Freundschaft mit der ursprünglichen politischen Heimat gesetzt hat. Zur Erinnerung: Sie siegte in der Stichwahl mit 56 Prozent gegen den von der ÖVP nominierten Christoph Platzgummer.

Momentaufnahme mit Grünstich.

Aus dieser Perspektive wirkt eine politische Marktforschung noch unter Eindruck der steirischen und burgenländischen Landtagswahl durchaus als urbaner Sensor in die Gegenrichtung des ruralen Trends: 

Die unter Leitung von Christian Traweger am Universitätsinstitut für Politikwissenschaft durchgeführte repräsentative Umfrage (300 Befragte) sieht aktuell mit mehr als 27 Prozent klar die Grünen voran, während Für Innsbruck (21 Prozent) wie die VP (20 Prozent) stagniert und die FP knapp unter zehn Prozent bleibt. Im Bürgermeister-Match führt jedoch Oppitz-Plörer mit fast 35 Prozent klarer als im ersten Wahlgang 2012 (31 Prozent). Während aber Sonja Pitscheider damals mit nur zehn Prozent die Stichwahl deutlich verfehlt hatte, wäre Georg Willi heute mit fast 19 Prozent im finalen Duell – obwohl das grüne Urgestein als Nationalratsabgeordneter weniger Auftrittschancen in seiner Heimatstadt hat.