ie Parteien, die Regierungen, die Parlamente und schließlich auch die NGOs: Das Vertrauen in traditionelle Institutionen wie Nichtregierungsorganisationen schwindet – langsam, aber sicher. Amerikanische Marktforschungen wie das Edelman Trust Barometer registrieren seit Jahren ähnliche Entwicklungen wie das Eurobarometer der EU-Kommission. Die von der Privatwirtschaft getriebenen US-Umfragen kommen in den Vereinigten Staaten bloß früher zu Erkenntnissen, die in der Alten Welt zunächst negiert oder ungläubig kommentiert werden, bevor der jeweilige Trend auch uns erfasst.
//Das beste Beispiel dafür liefern die Ami-Indizes von Mitte der Nuller-Jahre. In der insgesamt unauffälligen Abwärts-Entwicklung
schießt ein Wert urplötzlich an die Spitze der Vertrauensskala: A person like me, einer wie du und ich. Die von oben zu oft Belogenen suchen die Augenhöhe der Glaubwürdigkeit. Eine Marktforschung mit bahnbrechender Wirkung: Die Umfrage von damals legt den Grundstein für eine der erfolgreichsten Innovationen seither und eine Rückbesinnung der Politik.
FREUNDE WIE DU UND ICH.
A person like me ist die kürzeste Formel für das Geschäftsmodell Facebook, im persönlichen Kontakt – zumindest mit Unterstützern der Spitzenkandidaten – liegt das neue alte Erfolgsgeheimnis für Wahlerfolge von Obama bis zu den Kommunisten in Graz. Von der ÖVP Niederösterreich bis zur SPÖ Kärnten gelten
Hausbesuche als Allheilmittel, die grüne Eva führt 10.000 Kurzgespräche auf einer Sommertour und die Neos schaffen es dank Kontaktanbahnung abseits des TV-Turbos ins Parlament.
Jenseits von Fernsehen heißt auch hierzulande längst Social Media; massenweise durch mehr als drei Millionen österreichischer Facebook-Accounts und vorzugsmäßig über rund 100.000 Twitter-Auftritte inklusive vieler hochrangiger Multiplikatoren. Sogar die ORF-Redakteure nutzen nicht ihre laut einstiger Chef-Einschätzung „größte Medienorgel des Landes“ (© Gerd Bacher) für den Aufstand, sondern führen per YouTube-Video einen Protest gegen politische Postenbesetzungen zum Erfolg.
Die von oben Belogenen suchen die Augenhöhe der Glaubwürdigkeit.
FACEBOOK UND REALITÄT.
Nicht von ungefähr verglüht sehr schnell der Komet jener Piraten, denen die populärsten Plattformen wohl zu banal sind und die sich lieber in elitären digitalen Nischen suhlen. Ebenso folgerichtig wirkt der anhaltende FPÖ-Zuspruch angesichts des erfolgreichsten Austro-Politiker-Accounts von Heinz-Christian Strache bzw. die neue Stabilität der Grünen, der Partei mit der höchsten Social-Media-Affinität. Während die späte TV-Entdeckung des hyperaktiven Matthias Strolz langfristig durchaus entzaubernd wirkt, stürzt er dank professioneller Anwendung von Twitter und Facebook nicht ab wie zuvor Der Frank. Apropos Stronach: Spreu und Weizen im Internet teilen sich gerade in diesem Bereich weiterhin entlang der Generationskluft: Nicht einmal 15 Prozent der
heimischen Facebook-Accounts stammen von jenen über 50-Jährigen, die 45 Prozent der Wahlberechtigten stellen.
DER AKADEMISCHE EXPERTE.
Das trifft sich gut mit dem Stammpublikum jener ZIB 2, dessen Altersschnitt über 55 liegt. Also bleibt die ORF-Sendung samt ihren Wahlkampfablegern, den TV-Duellen, das wichtigste Einzelprogramm zur Gewinnung von Vertrauen („Zeit im Bild“ um 19.30 Uhr hat kaum Studiogäste). Sie bietet zudem Anschauungsunterricht, wohin die Reise geht. Denn a person like me ist nicht nur in den USA an der Spitze der Glaubwürdigkeit längst abgelöst vom academic expert. Entsprechend weit verbreitet wirkt der Typus auf allen Kanälen; vom aktuellen Analytiker im TV-Studio bis zu den Gastkommentar-
seiten der Tageszeitungen. Diese Schein-Autorität in alten Medien wird aber insbesondere via Twitter, dem Zweit-Tummelplatz der Meinungsmacher von Armin Wolf bis Corinna Milborn, ständig konterkariert.
Doch je näher der Mensch, desto weniger wirken die Medien als Generatoren für Vertrauen. Wo der parteiliche Organisationsgrad zumindest für Demokratien immer noch unter weltmeisterlichem Verdacht steht, feiern also die großen Mitgliederstrukturen fröhliche Urstände. Sie müssen wieder laufen, die Funktionäre, aber anders als gewohnt. Dienstleistung als Basis für Glaubwürdigkeit statt Agitation als Mutter der Überzeugung muss heute erst die Eigenen, dann die Anderen mobilisieren.
Je näher der Mensch, desto weniger wirken die medien als Generatoren für Vertrauen.
PERSONEN UND INSTITUTIONEN.
Der Wettstreit um die öffentliche Meinung gerät dennoch vor allem zum Kampf gegen die Windmühlen der veröffentlichten Meinung: Der neueste APA/OGM-Index sieht die halbe Bundesregierung im Minus (Saldo aus „ich vertraue“ und „ich vertraue nicht“) – Kanzler und vor allem Vizekanzler inklusive. Der jüngste derartige Regionalvergleich sieht den Tiroler Landeshauptmann zwar bei +5 %, aber nur auf Rang 6 im kollegialen Ranking. Doch Günther Platter, Werner Faymann (-5 %) und Michael Spindelegger (-15 %) zu Trost: Weit voran liegen immer jene, die wenig in der parteipolitischen Auseinandersetzung in Erscheinung treten und über noch weniger reale Macht verfügen: Bundespräsident Heinz Fischer (+49 %) führt seit jeher vor Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (+31 %).
Während der letzte Rang von Kathrin Nachbaur (-24 %) dem Umfragetiefstand des Teams Stronach entspricht, hat sich beim ausnahmsweise nicht ganz am Ende platzierten Strache (-18 %) solch Position noch nie negativ auf ein Wahlergebnis ausgewirkt. Polarisierung funktioniert unabhängig von Vertrauen – und Twitter funktioniert unabhängig von Information. Conchita Wurst hat schon mehr Follower als Armin Wolf.
//Langfristigere Erkenntnisse zum Vertrauen in Institutionen liefert das Eurobarometer – eine seit 1973 regelmäßig von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Marktforschung: Seine jüngsten Österreich-Ergebnisse wirken zumindest im Zehn-Jahres-Vergleich positiver als die aktuelle Stimmungslage im Land: Im Gegensatz zur 60. Umfrage vom Herbst 2003 (Daten in Klammern) attestiert die Nr. 80 von Ende 2013
den Parteien 34 (19), der Regierung 50 (40), dem Parlament 54 (43) und der Union 39 (36) Prozent „eher Vertrauen“. Das sind ebenso deutlich bessere Werte wie für die Medien: Der Presse schenken 64 (48), dem Radio 77 (66), dem Fernsehen 74 (67) und dem Internet 44 Prozent „eher Vertrauen“. Diese Aufwärtsentwicklung nährt vorerst Zweifel, ob vor zehn Jahren gleich wie heute abgefragt wurde. Doch eher taten damals die Wenderegierung, eine vorgezogene Neuwahl und die blaue Spaltung in Knittelfeld ihre Wirkung. Da aber heute sämtliche Daten deutlich über dem Schnitt der EU-Staaten liegen, sind sie auch ein Indiz für das chronische Krankjammern Österreichs vor allem durch die Österreicher. Internet wurde 2003 noch nicht abgefragt, das Gottvertrauen bis heute nicht.